Bei Holland denke ich immer an Strand und Meer, oder Städte an der Küste, wie Amsterdam, Den Haag oder andere. Aber Holland hat viel mehr zu bieten. Auch im Landesinneren gibt es sehenswerte Städte und Regionen, die ideal für einen kürzeren oder längeren Urlaub sind. Einige davon haben sich zusammengeschlossen zu einem Verbund „Das andere Holland“.
Die alte Hansestadt Deventer ist eine davon. Sie wurde bereits vor dem 8. Jahrhundert gegründet und gilt als eine der ältesten Städte der Niederlande, wie Holland heute genannt wird. Im 9. Jahrhundert entwickelte sie sich durch ihre Lage an der IJssel zu einem wichtigen Handelszentrum und wurde Hansestadt, und kam so zu dem Reichtum, den man ihr heute noch ansieht. Ihre idyllische Altstadt mit all den sehenswerten Gassen hat nicht nur die Zeit gut überstanden, sondern ist auch heute mit viel Leben gefüllt.
Die ehemaligen Handels- und Lagerhäuser, wie auch die Stadthäuser der Kaufleute, meist aus Backstein, beherbergen heute viele gemütliche Cafes, Restaurants, Hotels und auch kleine Geschäfte. So dass das Schlendern durch die Gassen viel Spaß macht, und man schnell die Zeit dabei vergessen kann.
Pulsierender Mittelpunkt ist der riesige Marktplatz, Brink genannt, wo samstags auch immer emsiges Markttreiben vorherrscht. In einem kleinen verwinkelten Haus am Rande des Marktplatzes befindet sich der Koekwinkel, ein traditioneller Lebkuchenbäcker. Ob der holländische Lebkuchen, der eher ein gewürzter Honigkuchen ist, im Koekwinkel erfunden wurde oder woanders in Deventer, lässt sich nicht genau sagen, aber auf jeden Fall wurde er in Deventer erfunden und gehört auch heute noch mit Butter bestrichen zu einem holländischen Frühstück oder Kaffeetafel dazu. Die Hansekaufleute brachten das Rezept und die entsprechenden damals exotischen Gewürze nach Deventer. Im Mittelalter durfte dieser spezielle Lebkuchen Niemand außerhalb der Stadt backen, war das Rezept sogar durch die Gilde geschützt.
Die Stadtwaage am Marktplatz
Neben einem zentralen Brunnen, ein idealer Treffpunkt für Verabredungen, ist besonders ein Gebäude am Marktplatz auffällig, das Haus vor Kopf, die alte Stadtwaage, in der sich heute das Stadtmuseum befindet, wo man auch vieles über die Geschichte der Hanse erfahren kann. Da hier alles, was zu Hansezeit in Deventer gehandelt wurde, gewogen und kontrolliert werden musste, um fairen Handel zu garantieren, aber natürlich gegen Geld, wurde hier der Grundstein für den Reichtum der Stadt gelegt.
Nicht weit von der Stadtwaage entfernt, befindet sich das interaktive Spielzeugmuseum, das für Familien ein Muss ist.
Deventer hat sogar einen „Berg“ – Das Bergkwartier
Vom Marktplatz aus geht es über die Bergstraat zum alten Stadtviertel Bergkwartier, wobei Berg als Name etwas übertrieben ist. Es geht zwar etwas bergauf, aber es ist wohl eher eine höhere Erhebung in dem sonst flachen Umland, eben für Niederländer schon ein Berg. Ganz oben steht die St. Nicholas Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit ihren zwei charakteristischen Türmen, die Bergkirche. Heute wird sich nicht mehr als Kirche, sondern für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt.
In den Gassen des Bergkwartiers stehen hauptsächlich hübsche Häuser, meistens aus Backstein, im typischen Hansestil mit prachtvollen Eingangstüren, historischen Lastenaufzügen und Fensterschmuck, der zeigt, wer dort wohnt oder arbeitet.
Jeden Dezember verwandelt sich das ganze Viertel zur Kulisse des Charles Dickens Festivals, wo hunderte verkleidete Teilnehmer Figuren und Szenen aus den Romanen von Charles Dickens nachstellen und -spielen, so dass sich die Besucher in die engen Gassen von Londons Altstadt des 19. Jahrhunderts zurückversetzt fühlen.
Eigentlich wird in Deventer das ganze Jahr immer etwas Besonderes geboten. Während meines Besuches waren die Schaufenster der Geschäfte nicht nur schön dekoriert, sondern viele waren sogenannte „Lebendige Schaufenster“ mit nachgestellten interaktiven Szenen.
Weitere Sehenswürdigkeiten in Deventer
Wie bereits gesagt, hat Deventer viele alte sehenswerte Stadthäuser, wie auch das älteste Steinhaus der Niederlande, das Proosdij, erbaut 1130. Aber auch ein modernes Gebäude ist auffällig und sehenswert, der moderne Erweiterungsbau des historischen Rathauses. Die Fassade des Erweiterungsbaus ist mit hunderten von vergrößerten und in Gusseisen verewigten Fingerabdrücken der Bewohner der Stadt bestückt. Entstanden ist diese künstlerische Idee aus dem Bemühen der Stadtregierung heraus, die Akzeptanz der Bevölkerung für das von ihr zuvor als zu modern abgelehntes Gebäude zu erhöhen.
Direkt gegenüber vom Rathaus liegt die Lebuinuskerk, ehemals eine der bedeutendsten Kirchen im mittelalterlichen Bistum Utrecht, heute eine protestantische Kirche. Wobei während meines Besuchs fand in der Kirche ein Food-Festival statt, etwas befremdlich für mich. Auch ansonsten steht der schlicht gestaltete Innenraum im Widerspruch zu der doch pompösen Fassade der spätgotischen Kirche statt. Aber von ihrem Turm hat man eine fantastische Aussicht über die ganze Stadt.
Die hat man auch von der Wilhelminabrücke über der Ijssel, welche sogar mit Richard Attenborougs Kriegsfilm „Die Brücke von Arnheim“ Filmgeschichte geschrieben hat.
Aber auch von meinem Hotel, dem Pillows Boutique Hotel, welches direkt am Ufer gegenüber der Altstadt in einem schönen Park gelegen ist, hat man einen wunderbaren Blick zwar nicht über, aber auf die Altstadt. Besonders schön am Abend, wenn die Altstadt im romantischen Licht erleuchtet ist.
Aber Deventer hat nicht nur Historisches zu bieten, so gibt es auch z.B. das Museum EICAS, wo zeitgenössische Kunst gezeigt werden, hauptsächlich Werke der deutschen ZERO- und der niederländischen Nullbewegung. Noch provisorisch in zwei renovierten Lagerhäusern untergebracht, zieht es im Laufe dieses Jahres in ein neues Museumsgebäude um. Wobei mir es schon die Präsentation moderner Kunst in altem Gebäude sehr gefallen hat.
Jung und modern ist auch die ebenfalls in einem alten Industriegebäude gelegene Craftbier-Brauerei, Stadsbrouwerij DAVO. In einem dazugehörenden Brauerei-Pub können die dort gebrauten Craftbiere in einer stylischen Umgebung direkt verkostet werden, wie auch in anderen Bars in Arnhem oder Zwolle.
Auch für modernes Wellness-Erleben ist gesorgt, wenn auch etwas außerhalb. Kaum 15 Minuten entfernt liegt die Therme Bussloo, wo man ganz entspannt, quasi durch die Welt reisen kann. Themen-Saunen und Aufguss-Rituale aus der ganzen Welt machen den Besucher mit den Saunagewohnheiten der unterschiedlichen Länder vertraut, von Finnland über Russland bis Asien. In der Salzgrotte fühlt man sich ans Tote Meer versetzt, wenn man im Pool dank dessen hohen Salzgehalts quasi dahinschwebt. In der Therme wird einfach Entspannung pur geboten, und wer sie mehrere Tage genießen möchte, kann in dem dazugehörenden Hotel übernachten. Was mir allerdings in der Therme nicht gefallen hat, ist das zur Vorbereitung der wirklich tollen Aufguss-Rituale, die jeweilige Sauna immer für an die zehn Minuten zur Vorbereitung geschlossen wurde, was ich bisher noch nie woanders erlebt habe. Überall woanders werden Vorbereitungen für Aufgüsse und Rituale still gemacht, während die Gäste bereits schwitzen.
Fazit
Die einstige Hansestadt Deventer lockt mit einer schönen, historischen Altstadt und jeder Menge sehenswerter Gassen, wo fast alles problemlos zu Fuß zu erreichen ist. Aber es ist auch eine lebendige Stadt mit vielen jungen Menschen. Und oft findet man auch die optimale Kombination von Historischem und Modernem. Ein Städtchen, was sich gerade auch in Kombination mit dem Umland des „Anderen Hollands“., ebenso für eine längere entspannte Auszeit anbietet.
Besonders empfehlenswerte Restaurants, wo es mir sehr gut geschmeckt hat, sind neben dem Ijssel Restaurant in meinem Hotel, dem Pillows Boutique Hotel Aan De IJssel, das Restaurant Huis Vermeer im gleichnamigen Hotel und auch das Goesting Urban Bistro auf dem Marktplatz.
Mehr Informationen unter www.das-andere-holland.de und https://de.deventer.info/