Wildnis statt noch mehr Luxus

„Wer mit allem versorgt ist, sehnt sich nach dem Nichts“, meinen Martina Kühne und David Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut in St. Gallen. In einer Welt der digitalen und materiellen Überschüttung, gewinnt die analoge und einfache Gegenwelt an Bedeutung und Wert. „Analoge“ (echte, fühlbare) Erlebnisse sind bleibend und bringen sichtbare Ergebnisse hervor. Das erklärt auch den Trend zu den vielen Do-it-yourself-Angeboten und die wachsende Sehnsucht nach ursprünglichen und wilden Landschaften. Zu dieser neuen Form von Luxus verhelfen die Wanderhotels jetzt mit der neuen Naturerlebnis- und Wildkräuterschule.

Was den Menschen in Zukunft lieb und teuer ist, hat auch viel mit dem Wissen um die Machart von Dingen zu tun. So beschreiben Schweizer Zukunftsforscher die neue Form von Luxus. Statt gekaufter Statussymbole zählt zukünftig eigenes handwerkliches Können und Tun, statt noch mehr Konsum gewinnt das echte Erleben an Wert. Wer heute weiß, wie gutes Brot gebacken wird, wie man aus Wildkräutern am Wegesrand, die man sogar selber gesammelt hat, herrliche Suppen zaubert, erntet Anerkennung und Bewunderung. „Zeit ist Geld“ – das war früher. Heute wird Zeit immer öfter als ein Gut empfunden, das wir nicht mehr in Geld – und damit noch mehr Konsum – umsetzen, sondern für echte, analoge Erlebnisse nutzen wollen. Einfache Fertigkeiten wie Kochen, Backen oder z.B. Naturkosmetik selber herstellen gewinnen an Wert. Das ist der neue Luxus.

Dass dazu die Füße und Hände ausreichen, zeigen die Wanderhotels mit den abwechslungsreichen Programmen aus der Naturerlebnis- und Wildkräuterschule. Die Hoteliers der Wanderhotels haben es geschafft, das klassische Wander- und Bergerlebnis zu kombinieren mit interessanten und abwechslungsreichen Urlaubsangeboten rund um die Veredelung von natürlichen Rohstoffen aus den Urlaubsregionen.

Wie aus wildwachsenden Kräutern am Wegesrand eine wohlschmeckende Suppe gezaubert wird oder die Minzen der bäuerlichen Hausgärten zu erfrischenden Säften verarbeitet werden, können Urlauber im kleinen österreichischen Kräuterdorf Irschen in Kursen und Workshops lernen. Im Wander- und Wohlfühlhotel Landhof Irschen lässt die Hausherrin Sonja Moser die Gäste in die Töpfe der Naturküche reinschmecken und verrät dazu die besten Rezepte rund ums Kochen mit Wildkräutern.

Dass in früheren Zeiten die Hausapotheke direkt vor der Haustüre gestanden hat, wissen viele Menschen nur noch aus der Überlieferung. Nicht so im Hotel Outside im Nationalpark Hohe Tauern/Osttirol: Dort arbeitet das Hotelteam gemeinsam mit der örtlichen Apotheke zusammen und kreierte die neue Naturkosmetiklinie „Tinapur“. Das Expertenwissen rund um die heilenden Kräfte der Wildkräuter wird fachkundig weitergegeben und mit den Gästen gemeinsam individuelle Naturkosmetik hergestellt.

Wer einmal auf dem 63 km langen Eisacktaler Kastanienweg rund um Feldthurns unterwegs war, weiß um die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Edelkastanie, in Südtirol „Keschtn“ genannt. Vom einstigen Grundnahrungsmittel der armen Bevölkerung hat es die Maroni zum vielseitigen Genussmittel geschafft. Der Südtiroler Hotelier Helmut Tauber vom Aktiv- & Vitalhotel Taubers Unterwirt hat der Edelkastanie zu neuem Ruhm verholfen. Heute gibt es nicht nur das berühmte „Keschtnigl“-Fest, sondern auch eine eigene Kastanien-Kosmetikserie oder eine Vielzahl köstlicher Kastanien-Gerichte – vom Törggelen gar nicht zu reden.

Zu den Pionieren des Naturtourismus in Südtirol zählt zweifelsohne der Lüsner Franz Hinteregger. In seinem abgelegenen Tal am Fuße der Lüsneralm schuf er mit dem Naturhotel Lüsnerhof ein Idyll und erfand die Wildromantik-Wellness abseits der modernen Thermenregionen. Die neueste Einrichtung ist die erste „Schwitzhütte“ der Alpen, für deren Bau indigene Guarani aus den Regenwäldern Brasiliens angereist sind. Die über Jahrtausende überlieferte Kultur der südamerikanischen Ureinwohner, die Spiritualität und Zeremonie des Schwitzens in einer Lehmhütte sind ein starker Kontrast zu den typischen Südtiroler Heubadln.

Das neue Wirtschaftsmodell der Gemeinwohl-Ökonomie verfolgt mit Leidenschaft der Ahrntaler Hotelier Stefan Fauster. Dabei stellt er die harmonische Beziehung der Menschen und Lebewesen wieder mehr in den Mittelpunkt. Mit besonderer Sorgfalt vermeidet er alles, was dem Planeten Erde Schaden zufügen kann und achtet in seinem Hotel Drumlerhof auf einen guten Ausgleich von Ökonomie und Ökologie. So sind auch seine nächtlichen Ausflüge in die Bergwelt des Ahrntals von Schlichtheit und Schnörkellosigkeit geprägt. Um wieder mehr eins mit der Natur zu werden, nimmt er seine Gäste eine ganze Nacht mit unter freien Himmel und sammelt auf dem Weg zum nächtlichen Basislager Wildkräuter und Waldbeeren, die dann unter dem Himmelszelt verkocht werden. Diese Einfachheit geht tief und lässt ein Stück Wildnis mitten in Südtirol erwachen.

Dort, wo Äpfel, Wein und Wacholder in Harmonie gedeihen, weiß man auch alles über die heilenden Kräfte dieser Früchte. Wie in wilder Ehe leben oberhalb von Meran in den Apfel- und Weingärten rund um das Hotel Zirmerhof Apfel und Wacholder zusammen. Die Gastgeberfamilie Ortner vermittelt auf ihren Wanderungen durch diesen Garten Eden viel Wissenswertes über die Geheimnisse des Apfels und des Wacholderstrauchs. Am hoteleigenen Obsthof werden die Kostbarkeiten der Natur fachkundig zu gesunden Produkten weiterverarbeitet.

Die Naturerlebnis- und Wildkräuterschule der Wanderhotels
Die 1995 gegründete Vereinigung von 67 ausgewählten Wanderhotels, die in den schönsten Regionen der Alpen liegen, haben immer wieder neue Ideen, wenn es um eine sinnerfüllende Form von Urlaub geht. In diesem Jahr beschäftigen sich die kreativen Hoteliers aus Österreich, Südtirol und dem Schwarzwald mit der Vermittlung von Fähigkeiten, die das Leben auch nach dem Urlaub bereichern.

Infos unter: www.wanderhotels.com