Weisses Kreuz, Südtirol: Vom Krämerladen zum Vier-Sterne-Superior-Haus

©Hotel Weisses Kreuz Daniel Zangerl

Als Mara Theiners Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater Josef vor über 150 Jahren als Wanderkrämer beschloss, sich niederzulassen, erwarb er das Weisse Kreuz in Burgeis samt zugehöriger Landwirtschaft. Ein Teil des Hauses wurde zum Gemischtwarenladen, später mit florierendem Weinhandel und Gasthof. Zu Beginn suchten dort vor allem Durchreisende, Pilger und Geschäftsleute, die entlang der Via Claudia Augusta unterwegs waren, eine Schlafmöglichkeit. So entstand über Generationen das Hotel an der Haupthandelsroute durch die Alpen. Mit den Jahren verloren die anderen Wirtschaftszweige an Wichtigkeit und wurden schließlich aufgegeben. 1974 kaufte Maria Theiner, Großmutter der heutigen Inhaberin Mara, das marode Gebäude gegenüber dazu. Damals machte der Ansitz zum Löwen mit seinen schiefen Wänden, dem morschen Holz und den zerschlagenen Fenstern zunächst einen ganz und gar nicht fürstlichen Eindruck. Erst später stellte ein Gutachter den hohen Wert des Hauses fest und beglückwünschte Maria, das „wohl schönste Haus im Vinschgau“ zu besitzen. Mit der aufwändigen Sanierung 2013 wuchsen Weisses Kreuz und Ansitz zum Löwen zusammen und bilden heute mit dem verbindenden Dorfplatz das Zentrum von Burgeis. „Gäste spüren dort das Leben im Ort“, so Mara Theiner. „Die besondere Architektur des Ensembles spiegelt den Dorfcharakter wider“. Die 32-Jährige übernahm das Vier-Sterne-Superior-Hotel 2016 von ihren Eltern und führt es seither in eine vielversprechende Zukunft – unter anderem in die erlesene Riege der Top 15 Restaurants in Südtirol.

SPA Suite Vitea ©Hotel Weisses Kreuz Daniel Zangerl
Jeder Winkel erzählt seine eigene Geschichte

Als das gotische Bauernhaus „Ansitz zum Löwen“ errichtet wurde, sprachen die Menschen im Obervinschgau noch romanisch. Das „Pfisterhaus“ aus dem 13. Jahrhundert ist damit der älteste Teil der historischen Unterkunft in Südtirol. Wo früher die Pferde der Fürsten standen, residieren heute Gäste in Renaissancezimmern und schlafen unter jahrhundertealten, kunstvoll geschnitzten Holzdecken. Jede der neun Suiten hat ein eigenes Designkonzept. So machen vor allem handverlesene Materialien wie Granit aus dem Martelltall oder der natürliche Holzdielenboden die „Exklusive Suite Fontauna“ so einzigartig. Die „Familiensuite Clavà“, eine gotische Stube, hingegen ist mit einem Bad in einer original erhaltenen, pechschwarzen Selchkuchl ausgestattet. Dort wurden früher Lebensmittel geräuchert.

Mythen rund um das Bau-Ensemble

Im 15. Jahrhundert wurde im „Ballhaus“ nicht, wie der Name vermuten ließe, getanzt. Vielmehr lagerten die Fürstbischöfe von Chur dort Stoffballen sowie andere Handelsgüter und betrieben rege Geschäfte mit ihren Partnern. Die behutsam freigelegten, restaurierten Wandmalereien sowie die Holzkassettendecken, die Fassade und der gemauerte Treppenaufgang zeugen vom einstigen Wohlstand. Entsprechend dauerte die Renovierung in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Denkmalamt auch ganze zwei Jahre, nämlich von 2011 bis 2013. Dabei wurde das historische Gebäude um einen modernen Anbau ergänzt. Im Erdgeschoss vom Ansitz zum Löwen treffen sich mittlerweile die Burgeiser im kleinen Dorfcafé, trinken Espresso oder frische Fruchtsäfte aus der Region. Was damals ein Krämerladen war, ist heute das Feinkostgeschäft „Genuss am Platz“, in dem es frisches Vinschger Paarlbrot, herzhaften Speck, aromatischen Bergkäse sowie Weine und Hochprozentiges gibt.

Suite ©Hotel Weisses Kreuz Daniel Zangerl
Harmonisches Zusammenspiel aus Tradition und Moderne

„Echte Erholung, authentische Gastfreundschaft, gutes Essen und Trinken, Zeit in der Natur sowie Freude am Leben – das ist uns wichtig. Seit Jahrzehnten ist unser Haus ein Synonym für Erholungsurlaub in Südtirol“, so Mara Theiner über das Weisse Kreuz. Mit dem Gourmetrestaurant Mamesa wird dort seit 2022 außerdem Fine Dining auf höchstem Niveau zelebriert. Das einzige Drei-Hauben-Lokal der Region ist unter den Top 15 Südtirols und strebt 2024 sogar den ersten Michelin-Stern an. Küchenchef Marc Bernhart zaubert feinste kulinarische Kreationen mit viel Gespür für Aromen und Texturen, einer ordentlichen Portion Experimentierfreude sowie einem Faible für regionale, hochwertige und außergewöhnliche Zutaten.

Drei Fragen an… Mara Theiner, Inhaberin Hotel Weisses Kreuz
Mara Theiner ©Hotel Weisses Kreuz Daniel Zangerl
Wie kam es überhaupt zur Sanierung vom Hotel und vom Ansitz zum Löwen?

Der Ansitz zum Löwen ist dank meiner Großmutter seit den 1970er-Jahren in Familienbesitz. Lang fehlten Inspiration und Mut, mit dem Gebäude etwas anzufangen. Als dann 2013 die Hotel-Renovierung geplant wurde, hatten wir die Idee, die beiden Betriebe zu vereinen und als Gesamtkonzept wiederzueröffnen.

Was macht das heutige Hoteldesign aus?

In unseren Augen bedeutet gelungene Architektur, sich zurückzunehmen. Oder wie es unsere Architekten Elke Ladurner und Stefan Marx formulieren: Architektur in Südtirol ist immer ein Da-, ein Weg- und ein Zulassen. Es geht darum, eine Symbiose zwischen Altem sowie Neuem herzustellen, beidem Raum zu geben und sich an die Gegebenheiten anzupassen. Unser Haus liegt im historischen Ortskern von Burgeis. Alles ist verschachtelt, miteinander verbunden und bildet eine unverwechselbare Einheit. Das haben wir bei unseren Umbauten und Restaurierungen berücksichtigt – ohne mit extrem aufdringlicher Bauweise herauszustechen.

Hast Du ein besonders liebgewonnenes Detail im Hotel?

Ja! Und zwar das Bild meiner Großeltern, das wir an der Rezeption als Tapete aufgehängt haben. Es zeigt die beiden in den 1960er-Jahren in ihrem damaligen Dorfladen. Das Gemälde steckt voller Details und jedes Mal, wenn ich es anschaue, entdecke ich etwas Neues. Stoffe, Früchte, Tabakwaren, Getreide – alles wurde damals verkauft. Die Freude und Zufriedenheit, die die beiden ausstrahlen, begeistern und motivieren mich.