Tradition trifft auf Modernes in Taipeh

Jeder kennt „Made in Taiwan“, wer hat nicht schon Produkte -Spielzeug, Kleidung, vor allem aber Elektronik- mit diesem Markensiegel gekauft. Aber wer kennt Taiwan als Tourismus-Destination? Der Tourismus boomt zwar auf der Insel mit über zehn Millionen Reisenden, aber davon sind nur ungefähr 60.000 Deutsche, und die sind meistens noch Geschäftsreisende. Überhaupt für Europäer ist Taiwan als Urlaubsziel bisher eher unbekannt, und das wirklich zu Unrecht.

Mich hat Taiwan begeistert mit dem modernen Taiwan auf der einen Seite, was auch einen hohen Lebensstandard verkörpert, aber trotzdem keinesfalls so hektisch ist, wie ich es von anderen asiatischen Ländern her kenne, und dem traditionellen Taiwan andererseits.

Nicht ohne Grund haben die Portugiesen im 16. Jahrhundert die Insel, die etwa die Größe Baden-Württembergs hat, „La Formosa“ -die Schöne- genannt. Obwohl nicht allzu groß, gibt es zwei Klimazonen auf der Insel. Beeindruckende Natur mit Urwald und alpiner Bergkulisse, Landschaften mit Plantagen und Reisfeldern, wie auch Sandstrände faszinieren genauso wie die modernen Stadtsilhouetten mit ihren glänzenden Hochhäusern. Von der Hauptstadt Taipeh gelangt man Dank eines gut ausgebauten Straßennetzes oder dem Hochgeschwindigkeitszug in Städte, in denen die alte chinesische Kultur noch ihren Platz hat.

Taipeh- Stadt der Gegensätze

Auch in Taipeh, der modernen und belebten Hauptstand, finden sich umgeben modernster Architektur und hoher Wolkenkratzer, viele Zeichen der heute noch gelebten alten Kultur Chinas. Beeindruckende Tempelanlagen, wie z. B. der Longshan-Tempel, aber auch viele kleine Tempel, die inmitten der Hochhäuser liegen. Und diese werden sehr rege von den Einheimischen, Jung und Alt, besucht. Den ganzen Tag über machen die Menschen hier halt, um zu Meditieren und sich den Beistand und Rat der Götter zu holen. So werden die Götter auch mit Hilfe zweier gewölbten Holzkeile, die auf den auf den Boden geworfen werden, befragt. Kommen beide auf der flachen Seite zum Liegen, ist die Antwort der Gottheit nein, unterschiedliche Seiten sollen Zustimmung bedeuten. Ob es um die Partnerwahl, den Babywunsch, ein gutes Geschäft oder eine anstehende Prüfung geht, im Longshan-Tempel in Taipeh gibt es sogar für jedes Anliegen eine spezielle Ecke. Überall stehen, knien und sitzen alte und junge Menschen, verbeugen sich, lassen kleine Perlenketten durch die Finger gleiten, stecken qualmende Räucherstäbchen in mit Sand gefüllte Kessel oder legen prächtige Orchideensträuße, Speisen oder andere Spenden ab, zum Dank für die Hilfe der Götter. Die Religion wird hier wirklich gelebt und ist Bestandteil des modernen Lebens. Trotz der modernen Lebensweise bleiben die Taiwanesen ihren Traditionen treu, nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Großstädten.

Taipei 101

So wird hier auch oft den Regeln des Feng-Shui entsprechend gebaut, wie auch das Wahrzeichen des modernen Taipehs, der mit 101 Stockwerken 508 Meter hohe Wolkenkratzer „Taipei 101“, welcher einem sich verjüngenden Bambusrohrs nachempfunden wurde. Keine Minute dauert es, bis der Lift die 89. Etage erreicht, wo einem die Stadt mit einem imposanten Rundumblick quasi zu Füßen liegt.

Ein „Must-to-see“ in Taipeh ist auch die pompöse Chiang-Kai-Shek-Gedächtnishalle zu Ehren jenes Mannes, der über Jahrzehnte das Schicksal Taiwans bestimmte, und natürlich das National Palace Museum. Es ist eines der am meisten besuchtesten Museen der Welt und beherbergt knapp 700.000 Exponate aus mehr als 8.000 Jahre chinesischer Kunstgeschichte.

Gerade in diesem Nationalmuseum fällt mir auf, wie sich die Taiwanesen, welche nie unfreundlich sind und miteinander und auch gerade Ausländern gegenüber höflich und freundlich sind, von den Festlandchinesen unterscheiden. Laut, meist unaufmerksam und sich mit Ellenbogen Platz verschaffend schieben sich die chinesischen Reisegruppen durch dieses Museum, meinen sie doch auch, dass viele der Ausstellungsstücke doch eigentlich ihnen gehören und nicht dem Taiwanesischen Volk. Als Touristen sind sie überall in diesem Land sind sie in großen Gruppen unterwegs.

Chiang-Kai-Shek-Gedächtnishalle

Ganz anders die freundlichen Taiwanesen, so ist ein Erlebnis von mir typisch dafür. In der U-Bahn stieg eine ältere Dame ein, der ich meinen Platz anbot. Dieses Angebot wollte sie aber nicht annehmen, wobei ich aber trotzdem stehen blieb. Sofort wurde mir daraufhin von anderen Taiwanesen ein Platz angeboten.

Es wird interessant werden, wie sich das Verhältnis Taiwans und der Volksrepublik China in der Zukunft entwickeln wird, betrachtet die Volksrepublik China die Insel noch immer als Teil ihres Territoriums und hat erst unlängst in Zusammenhang mit den Unruhen in Hongkong wieder an ihre Ansprüche erinnert.

Apropos U-Bahn, deren Netz ist so gut ausgebaut und auch für den Ausländer recht übersichtlich, dass man mit ihr preiswert und schnell fast überall hinkommt. Es ist auch ein Erlebnis, mit ihr mal in die recht unterschiedlichen Vororte von Taipeh zu fahren.  Die U-Bahnen fahren fast in Minutentakt, und das Ein- und Aussteigen geht dank Markierungen ohne jegliches Gedrängel. Will man bei uns, erst noch testen, wie Bahnsteige gesichert werden können, ist das in Taiwan schon lange Standard.

Rahoe Night Market in Taipeh
Die Nachtmärkte Taiwans

Mit der U-Bahn kommt man auch gut zu den verschiedenen Nachtmärkten Taipehs, die es aber auch in den anderen Städten Taiwans gibt. Sie werden von den Taiwanesen besucht, um sich nach der Arbeit zu treffen, zu essen und zu amüsieren. Durch die engen Gassen bummeln lachende und schwatzende Menschen. Wenn man das authentische Lebensgefühl der Taiwaner kennenlernen möchte, sollte man hier all die Eindrücke auf sich wirken lassen. Da brutzeln im Fett ganze Hühnerhälse mit Kopf dran, werden Gemüse, Fleisch und Kräuter in appetitliche Wraps gerollt, und Fische liegen schön aufgereiht nebeneinander. Hinter den Ständen sind Shops, wo man fast alles kaufen kann, aber auch Massagesalons und jede Menge Spielautomaten.

Das Essen hier ist nicht nur preiswert, sondern auch qualitativ gut und auch für unsere europäischen Mägen gesundheitlich unbedenklich, was ja nicht überall in Asien so ist. Und vor allen Dingen gibt es viele exotische Speisen zu probieren. Denn alle Wohlgerüche der asiatischen Küche sind hier versammelt: Curry, Koriander, Kreuzkümmel, Kokos verbreiten ihren Duft.

Mehr Gestank als ein Duft, ist allerdings der Geruch von einer der bekanntesten Spezialitäten der taiwanischen Küche, dem Stinky Tofu. Wer darauf verzichtet ihn zu kosten, verpasst meiner Meinung nach nichts, der vergorene Tofu schmeckt so, wie er riecht und ist für europäische Gaumen äußerst gewöhnungsbedürftig und auch der Gestank treibt einen schnell weiter.

Der bekannteste Nachtmarkt Taipehs ist übrigens der Rahoe Night Market.

Die Westküste entlang
Wanderung beim Lion´s Head Mountain

Von Taipeh geht es die Westküste entlang erst einmal in die Berge. In der Region Miaoli befindet sich der Lion´s Head Mountain mit Wanderwegen durch eine wildromantische Natur. Da hier die Abkömmlinge der Hakka-Kultur leben, bietet es sich hier an, auch die Speisen der Hakka-Kultur und auch traditionell zubereiteten Tee zu probieren.

Bei Familie Tao

Ganz in der Nähe gibt es auch eine kleine Töpferei der Familie Tao. Hier fällt es schwer, sich zu entscheiden, was man als Andenken mitnehmen möchte. Wer dafür länger braucht, kann auch eines der gemütlichen Fremdenzimmer beziehen. Die Tochter des Hauses kümmert sich mit einem kleinen Café um kulinarische Bedürfnisse der Besucher. Und man merkt, dass sie eine gelernte Barista ist, denn hier habe ich den leckersten Kaffee in Taiwan genossen. Sie hat lange in Tokio, Taipeh und anderen Metropolen gelebt, bevor sie der Hektik entflohen ist, um hier den Kaffeegenuss zu zelebrieren.

Was für ein Kontrast als ich am Abend im Hotel im modernen Taichung ankomme, einer Wirtschafts- und Partymetropole.

Am nächsten Tag geht es erst nach Lukang, das mit seinen Tempeln, Gebäuden und den gewundenen Straßen und Wegen, die die Feinde abschrecken sollten, wie ein „lebendiges Museum“ wirkt.  In den Läden der engen Gassen bieten viele Kunsthandwerker ihre Waren an, handgeschnitzte Buddha-Figuren, Fächer, Holzspielzeug u.v.a.

Tainan, die historische Hauptstadt

Die nächste Station ist Tainan, Taiwans älteste Stadt und frühere Hauptstadt. Im ältesten Viertel der Stadt, Anping, kann man auf den Spuren wandeln, die die Holländer hinterließen, als sie zwischen 1624 und 1662 mit ihrer Ostindien-Kompanie Handel mit China und Japan betrieben.

Anping Treehouse

Zentrum war damals das „Fort Zeelandia“, dessen Ruinen in einem Park inmitten der Stadt liegen.  Das interessanteste und auch das beliebteste Fotomotiv ist das Anping Treehouse etwas außerhalb, ein altes Lagerhaus der Ostindien-Kompanie, in dem die Natur sich längst ihren Platz zurückerobert hat. Knorrige Äste und Zweige von Banyanbäumen haben die Wände in den letzten 300 Jahren überwuchert und verschmelzen mit den Ruinen. Man fühlt sich ein wenig an Angkor Wat erinnert. Über Laufstege kann man in diesen, mit der Natur verschmolzenen Ruinen, herumklettern. Man bekommt das Gefühl, sich mitten im verwunschenen Dschungel zu befinden.

Am Pier 2 in Khaohsiung

Bei Tainan liegt auch in einer ehemaligen Zuckerfabrik das Ten Drum Cultural Creative Village. Von der international bekannten Ten Drum Percussion-Band gegründet und finanziert, ist hier ein lebendiges Museum zu Trommeln und Zuckerherstellung entstanden. Eine der täglichen zweimal stattfindenden Trommelvorführungen sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.

Ganz im Süden, fast an der südlichen Spitze der Insel, liegt die Hafenstadt Khaohsiung, die zweitgrößte der Insel. Hier trifft man auf die moderne Kultur Taiwans. Neben Opernhaus, Konzertsälen und Theater, sind am ehemaligen Containerhafen der Industriestadt die Lagerhäuser am Pier 2 in Boutiquen, Galerien, Veranstaltungsräume und Restaurants umgewandelt worden. Im angrenzenden weitläufigen Park genießen die Einheimischen den Sonntag. Familien picknicken, Drachen werden steigen gelassen, es herrscht eine entspannende Freizeitatmosphäre.

Fo Guang Shan- Buddhas Berg
Tempelanlage Fo Guang Shan

50 Minuten von Kaohsiung entfernt liegt die größte buddhistische Tempelanlage Taiwans Fo Guang Shan, was Buddhas Berg des Lichts bedeutet. Diese Tempelanlage sollte man, wenn eben möglich, auf jeden Fall besuchen, sie ist auch jeden Umweg wert. Schon von weitem ist die mit 108 Metern höchste Buddha-Statue der Welt zu sehen, die über dem Tempel thront.

Tempelanlage Fo Guang Shan

Auch wenn viele Menschen die Anlage besuchen, ist es hier außerordentlich ruhig und eine friedliche, schon fast heilige Stimmung ergreift einen. Gerne führen die dort lebenden Nonnen und Mönche die Besucher durch die verschiedenen Tempel und das dazugehörende Buddha-Museum. Die meisten sprechen auch perfekt Englisch.
Wer möchte kann auch in der Tempelanlage übernachten und Zeremonien beiwohnen. Auch ein, der Lehre Buddhas entsprechend, reines vegetarisches Restaurant befindet sich dort.

Nach dem Tempelbesuch geht es mit einem der 300 Stundenkilometer schnellen Expresszüge in nur 90 Minuten entlang der Westküste zurück vom Süden in den Norden nach Taipehs Flughafen. Die Züge sind nicht nur schnell und verkehren recht häufig, sondern sie sind auf die Sekunde pünktlich, was wir Deutsche gar nicht gewohnt sind.

Drachenpagode

Vom Flughafen Taipehs, der für das moderne Taiwan steht, ist er doch eines der großen Drehkreuze Asiens, geht es bequem, wie auch auf dem Hinflug, mit einem gut 13 stündigen Direktflug zurück nach Frankfurt. Und schon lange habe ich keinen Flug mehr so angenehm empfunden wie mit China Airlines, keinesfalls mit Air China zu verwechseln, der Airline der Volksrepublik China. Selbst in der Economy-Class hatten die Sitze einen bequemen Abstand, das Personal war sehr freundlich und auch das umfangreiche kostenlose Speise-, Getränke- und Unterhaltungsangebot ist man von anderen Airlines inzwischen leider mehr gewöhnt.

Leider ging meine Zeit auf Taiwan viel zu schnell vorbei, gibt es doch noch vieles auf der Insel mit ihrem einzigartigen Facettenreichtum, was ich noch nicht sehen und erleben konnte. Für mich ist Taiwan eine Mischung vieler asiatischen Kulturen, was auch kein Wunder ist, da hier nach Niederländern und Spaniern, auch Japaner und Chinesen geherrscht haben.

Die Taiwanesen sind freundlich und herzlich, ist der offizielle Werbeslogan „Taiwan-The heart of Asia“, so wäre meiner Meinung nach noch treffender „Taiwan- The best mixture of Asia“.

Noch kurz zu erwähnen:

– In Taiwan ist nicht nur alles pünktlich, sondern es ist auch ein sehr sicheres Reiseland.
– Wer unterwegs für wenig Geld immer online sein möchte, kann am Flughafen problemlos eine SIM-Karte für das eigene Handybekommen.
– Die Unterkünfte sind zahlreich und preiswert. Selbst Fünf-Sterne-Hotels kosten hier deutlich weniger als bei uns.
– In den Städten sprechen viele Taiwanesen Englisch, und auf dem Lande kommt man aufgrund der Freundlichkeit der Menschen auch gut mit Händen und Füßen, oder einer Übersetzungs-App, zurecht.

Mehr Informationen unter www.taiwantourismus.de       Autor Und Bilder: ©Detlef Düring

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