Tokyo? Schon dreimal gewesen! Kyoto? Alle Sehenswürdigkeiten schon abgeklappert. Nara? Alle Hirsche schon gefüttert… Wer sich bei der Reiseplanung so anhört, muss in Japan nicht verzagen: Das Inselreich hat so viele wunderbare Orte, dass man gefühlte hundertmal dorthin fahren kann – und an den folgenden fünf Orten trifft man garantiert nur wenige westliche Reisende.
Geibikei: Sing mir das Lied von der Schlucht
Einsamkeit ist in Geibikei Programm – hier kommt man nicht zufällig vorbei, denn das Dorf liegt weit oben auf der Hauptinsel Honshu an der Küste der Iwate Präfektur. Dass sich dennoch (japanische) Reisende hin verirren, verdankt der abgelegene Ort der gleichnamigen „Löwennasen-Schlucht“. Über Jahrtausende hat sich hier der Satetsu-Fluss in die Kalkfelsen gegraben und bis zu 100 Meter hohe, schroffe Felswände hinterlassen. Von Frühjahr bis Herbst ziehen hier fast lautlos Flößer mit ihren hölzernen Flachbooten vorbei, die die Touristen durch die rauen Schluchten staken. 90 Minuten dauert die erholsame Tour über den Fluss, inklusive einem kleinem Landabstecher unterwegs. Kurz vor Ende der Tour atmet der Bootsführer nochmal tief ein und schmettert mit grandioser Akustik den Folksong „Geibi Oiwake“ in die Schlucht. Ja, das ist kitschig, Aber ehrlich gesagt auch ziemlich ergreifend. Die Fahrt dorthin ist übrigens erstaunlich einfach, denn der Zug fährt direkt vom Shinkansen-Bahnhof Ichinoseki nach Geibikei, von dort sind es nur noch rund zehn Minuten zu Fuß zur Schlucht.
Kagoshima: Vulkanisch gut
Eine Großstadt mit rund 600.000 Einwohnern direkt an einem aktiven Vulkan, der regelmäßig qualmt und hin und wieder sogar Lava spuckt? In Japan ziemlich normal: Die Einwohner von Kagoshima an der Südspitze der Insel Kyushu haben einen legendären Blick auf den Sakurajima, der direkt vor der Stadt in der Bucht von Kagoshima liegt, gerade mal 15 Minuten mit einer gemütlichen Fähre entfernt. Dass er aktiv ist, sieht man übrigens auch auf den ersten Blick an: Frische, gerade erst erkaltete Lavaströme liegen auf seinen Hängen. Erkunden kann man den Vulkan natürlich auch (wenn auch nicht die Caldera), denn ein Wanderweg umzieht die Insel. Bequeme Besucher nehmen alternativ den Bus, der den Vulkan ebenfalls umrundet. Allerdings ist Kagoshima auch sonst sehenswert: Zahlreiche überdachte Galerien bieten in der luftigen Innenstadt im Sommer nicht nur Schutz vor der subtropischen Sonne, sondern beherbergen auch viele kleine Boutiquen. Interessant ist auch: Passenderweise ist Kagoshima mit Neapel verbrüdert… Weitere Details gibt es unter.
Ginzan: Erholung am Ende der Welt
Schon der Weg nach Ginzan ist ein Genuss: Die Straße in den kleinen Kurort im Norden der Hauptinsel Honshu schlängelt sich einsam die Berge hinauf, taucht in dunkle Wälder ab, erlaubt hier und da einen kurzen Blick über endlose Wildnis – und endet überraschend auf einem Parkplatz. Wenige Schritte weiter, drinnen im Ort, ist Schluss mit der Moderne: schmale Pfade rechts und links des Flusses, gesäumt von Holzhäusern im japanischen Fachwerkstil der 1920er, Holzbrücken, die über das gurgelnde Wasser führen ─ und jede Menge Onsen-Badehäuser. Aus allen Ecken und Ritzen dampft es, was dem Ort einen unwirklichen Hauch verleiht. Genau das lockt die Eingeweihten und Onsen-Kenner nach Ginzan: Im heißen Wasser entspannen, in den Wäldern wandern und die Atmosphäre der Vorkriegszeit schnuppern – szenischer kann man kaum abtauchen. Auch historisch ist Ginzan allemal ein Schwergewicht: Der Kozankaku Onsen (www.kozankaku.com) am nördlichen Ufer beispielsweise wird derzeit in der 18. Generation von derselben Familie betrieben. Sehenswert nicht nur im Sommer: Sobald im Winter der Schnee dazukommt ─ worauf man sich verlassen kann, denn nirgendwo auf der Welt schneit es mehr als in der Provinz Yamagata ─ ist die Idylle perfekt.
Okunoin Friedhof: Für die Ewigkeit
Einsame, stille Waldwege unter Zedern, gesäumt von moosbewachsenen Steinen, jede Menge uralter Grabsteine – und allerhand skurrile Monumente. Das ist der Okunoin-Friedhof am gleichnamigen Tempel am Berg Koyasan in der Provinz Wakayama mit über 300.000 buddhistischen Gräber und shintoistischen Gedenkstätten. Hier liegt Kukai, der Begründer des Shingon-Buddhismus, begraben, und irgendwann, so glauben seine die Anhänger, wird er in der Gestalt des Zukünftigen Buddhas „Miroku“ wiederkommen und seine Anhänger ins Nirwana führen. Kein Wunder, dass Grabstätten auf dem Okunoin höchst begehrt sind. Sehenswert ist jedoch nicht nur das Kukai-Mausoleum, sondern auch die vielen, oft wundersam geformten Grabsteine. So liegt hier der Erfinder des Yakult-Drinks und sein Grabstein wurde natürlich in Form der typischen Yakult-Flaschen geschaffen. Ein anderer, wohl Ingenieur der Raumfahrttechnik, wurde mit einem Raketen-Grabstein verewigt. Derartige Beispiele gibt es zuhauf, was dem sonst so meditativen Ort eine angenehm schräge Note verleiht.
Fushimi Inari: Einsame Dunkelheit
Seine tausenden roten Torii sind weltbekannt und gehören zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Japans. Als Geheimtipp taugt der Fushimi Inari Schrein am Rande Kyotos also eher nicht – oder doch? Tagsüber, vor allem bei schönem Wetter, ist der Besuch des Schreins ganz sicher kein einsames Vergnügen. Anders sieht es nach Einbruch der Dunkelheit aus. Die wenigsten wissen: Das Schreingelände und seine Wege sind rund um die Uhr geöffnet und nachts nochmal so schön, denn dann sind nur sehr wenige Besucher unterwegs. Im Schein der dezenten Beleuchtung scheint er zeitlos. Nur eines sollte man nicht vergessen: Bei der Anreise einen Blick auf den Fahrplan des Vorortzugs werfen, der ihn mit Kyoto verbindet, denn nach Mitternacht bleibt nur noch das Taxi.