Eine Reise durch West-Japan

Zu West-Japan gehören die drei Regionen Kyushu, Choguku und Kansai. Über Tokio bin ich nach Fukuoka an der äußersten Nordspitze von Kyushu geflogen. Fukuoka ist Japans sechstgrößte Stadt, eine moderne Metropole mit vorwiegend modernen Gebäuden und viel Neonreklamen, die gerade am Abend auch den Weg zu den vielen gemütlichen Restaurants und den für Japan typischen Bars und Clubs zeigen. Ansonsten gibt es in Fukuoka nicht allzu viel Sehenswertes.

Da ich schon früher die Insel Kyushu besucht habe, die wirklich eine eigene Reise wert ist, geht es für mich zur Erkundung des Westens weiter nach Nagato in der Präfektur Yamaguchi. Wer Japan nicht im Rahmen einer Gruppenreise besucht und auch kein Auto mieten möchte, kann sich sehr gut mit dem Zug bewegen, da das engmaschige Bahnnetz auch das Reisen in die entlegensten Gegenden von Japan ermöglicht.  Wobei man sich auch bewusst sein muss, dass außerhalb der Großstädte oft kaum Englisch gesprochen wird, und selbst da oft nicht. Aber dank Übersetzung-Apps, Händen und Füßen kommt man heutzutage auch alleine einigermaßen zurecht.

Auf dem Weg nach Nagato komme ich vor Shimonoseki, wo übrigens ein besonders schöner Japanischer Garten, Chofu Teien Japanese Garden, ein Besuch wert ist, an Kamon Wharf vorbei. Hier gibt es am Kai einen Fischmarkt, der berühmt ist für seinen „Fugu“ oder Kugelfisch. Und hier habe ich zum ersten Mal auch Fugu probiert und überlebt. Heute stirbt kaum mehr jemand beim Verzehr von Fugu, aber es steht auf jedermanns Bucket-List, wobei er mir persönlich gar nicht so gut geschmeckt hat.

Mystischer Motonosumi Inari-Schrein – Nagato, Präfektur Yamaguchi

In Nagato ist der Motonosumi Inari-Schrein, welcher einer der schönsten Orte Japans sein soll, schon von weitem zu sehen. Oberhalb zerklüfteter, windumpeitschter Klippen führen 123 roten Torii-Tore zum eigentlichen Schrein, der einem weißen Fuchs gewidmet ist, erbaut von einem Fischer, der von einem weißen Fuchs im Traum besucht und aufgefordert wurde und, zu seinen Ehren einen Schrein zu bauen. So entstanden die roten Torii Tore, die sich wie ein Tunnel den Hügel hinauf zum Schrein winden. Nicht nur der Schrein ist das Ziel, sondern auch die Gedanken beim Durchschreiten des Tunnels, der das Weltliche trennen soll von der heiligen Welt. Die rote Farbe soll böse Geister abhalten, ist aber auch die Farbe für Wohlstand und Liebe.

Am Schrein angekommen ist es Zeit zum Gebet. Dazu zieht man an einem Seil, das davorhängt, klatscht zweimal, verbeugt Sie sich zweimal und klatscht dann wieder zweimal, währenddessen man um Hilfe bittet, wofür auch immer. Natürlich gehört auch ein Opfer dazu. Man kauft etwas oder wirft Geld in eine Box. Eine besondere Herausforderung ist der Einwurf in eine Geldbox, die an die fünf Meter hoch unter einem Torbogen hängt. Schwierig ist es eine Münze dort hineinzuwerfen, aber wenn es gelingt, ist es für den eigenen Wunsch an die Götter besonders gut.

Es ist wirklich ein heiliger und wildromantischer Ort, wenn man so über den roten Tunnel hinweg auf die von tosenden Wellen umspülten Klippen schaut – absolut instagrammable.

Der Motonosumi Inari-Schrein befindet sich bei Nagato, einer Stadt, die als das Tal der heißen Quellen bekannt ist. Was liegt also näher, als in einem der traditionellen Hotels mit heißen Quellen, den Ryokans, in der Nähe zu übernachten.

Hier übernachtete ich in einem traditionellen Tatami-Mattenzimmer, ohne allzu viel Möbel. Geschlafen wurde hier auf einem Futonbett, das auf den Tatami-Matten ausgerollt wurde, während man beim Abendessen war. Vorher kann man sich noch bei dem Besuch des hoteleigenen Onsens (Thermalbad) entspannen.

Typisch für einen Ryokan ist auch die traditionelle japanische Yukata – eine lässige Baumwollrobe mit Schärpen, ähnlich einem Kimono, und auch ein kurzer Haori-Mantel, den man über dem Gewand tragen kann. Gedacht sind diese Roben nicht nur für den Weg zwischen Hotelzimmer und Onsen, sondern werden auch normalerweise zum Abendessen und Frühstück getragen.

Bezauberndes Tsuwano

Den nächsten Stopp mache ich in Tsuwano, ein kleines komplett unter Denkmalschutz stehendes Dorf. Die malerische Tonomachi-Straße lässt vieles aus der 700-jährigen Geschichte des Dorfs erahnen. Hier lebte auch Ogai Mori, ein Arzt und Schriftsteller, der international bekannt ist für die Modernisierung der japanischen Literatur. Viele kleine traditionelle Handwerksbetriebe säumen die Hauptstraße, wie eine Washi-Papiermacherwerkstatt, eine kleine Sake-Brauerei oder eine alte Apotheke, die eigene Mixturen mixt. In den Wassergräben schwimmen jede Menge riesiger Kois, eine Tradition aus dem 17.Jhdt., wo diese als Notration für den Fall einer Hungerkatastrophe gedacht waren.

Matsue, die Stadt der Samurais und der Kunst

Matsue, eine Stadt mit 200.000 Einwohnern, ist Partnerstadt von Dublin. Dies ist dem Schriftsteller Patrick Lafcadio Hearn zu verdanken, der 1850 in Griechenland geboren wurde, aber in Irland aufgewachsen ist bevor es ihn Ende des 19. Jahrhunderts nach Japan zog, und er sich in Matsue und in seine spätere Frau verliebte und dort heimisch wurde.

Hearns Geschichten über die Gegend von Matsue machten diese international recht bekannt, und so ehrt die Stadt sein Andenken mit einem Museum in seinem ehemaligen Wohnhaus.

Übrigens, anders als in vielen anderen Ländern, ist in Japan der Eintritt in Sehenswürdigkeiten für Ausländer oft deutlich preisgünstiger, manchmal sogar an die 50%. Also möglichst immer einen Ausweis dabeihaben.

Nicht weit von diesem Museum gibt es auch ein altes Samurai-Haus aus dem Jahr 1730 zu besichtigen, wo man wirklich einen Eindruck davon bekommen kann, wie ein Samurai gelebt hat und welche Rolle er im alten Japan innehatte.

Überhaupt ist fast die ganze Straße, wo dieses beiden Museen liegen und die idyllisch entlang des Burggrabens verläuft, seit der Samurai-Ära weitgehend unberührt und hat für Geschichtsliebhaber viel zu bieten.

Matsue Castle – einer der wenigen Burgtürme Japans

Aber die größte Sehenswürdigkeit von Matsue ist das wunderschön erhaltene Matsue Castle, das inmitten alter Bäume quasi über der Stadt thront. Japanische Schlösser und Burgen sehen ganz anders aus als wie bei uns in Europa. Matsue Castle ist eine der größten und höchsten Burgen, von denen es in Japan nur noch ganze 12 gibt. Gebaut wurde es 1607 als Wachturm eines Feudalherrn.

Hoch oben auf einem Hügel geht es über eine alte steile Holztreppe fünf Stockwerke hinauf, bis sich eine fantastische Aussicht auf die Stadt und den Park um die Burg herum bietet. Dabei werden die Stufen immer größer und steiler je höher man kommt. Dahinter verbirgt sich die Absicht, alle eventuellen Angreifer zu verlangsamen, wenn sie sich der Spitze nähern. Auf jeder Ebene sind verschiedene Artefakte ausgestellt, von traditionellen Kostümen über Waffen bis hin zu Kunstwerken.

Unterhalb der Burg befindet sich auch ein großer Schrein, in dem Besucher Liebesbriefe auf roten, herzförmigen Karton schreiben, bevor sie diese an einen dortigen Brunnen hängen.

Matsue Castle ist auch eine der wenigen Burgen in Japan, die sich seinen Burggraben bewahrt hat, auf dem man heute mit Horikawa-Ausflugsbooten um das Schloss und auf den Kanälen der Stadt herumfahren kann, vorbei an vielen Sehenswürdigkeiten, die vom Festland aus nicht so gut zu sehen sind.

Moderne Kunst

Aber Matsue hat nicht nur Historisches zu bieten, sondern auch moderne Kunst. Das Shimane Museum beherbergt eine Mischung aus japanischer und westlicher Malerei, Skulptur und Fotografie, aber besonders beeindruckend für mich, war die moderne Kunst vor dem Museum, draußen am Ufer des Lake Shinji. Dort befinden sich Statuen von springenden Kaninchen, die in einer Reihe zum Wasser springen wollen (von Satosh Yabuuchi), faszinierende Metall- und andere riesige abstrakte Skulpturen. Bei meinem Besuch bot sich mir vor dieser Kulisse noch ein beeindruckender Sonnenuntergang.

Adachi Museum of Art Gardens – Gärten wie gemalt

Ganz andere Kunst bietet das östlich von Matsue in Yasugi gelegene Adachi Museum of Art. Zwar beherbergt das Adachi Museum of Art auch eine bedeutende Sammlung japanischer bildender Kunst, aber die Hauptattraktion sind die Gartenanlagen, welche auch regelmäßig zu den schönsten und besten Japans gewählt werden.

Sie sind unglaublich schön, und doch so anders. Zento Adachi, ein Bauernsohn, der zu einem einflussreichen Kunstsammler geworden ist, hat einen der schönsten Gärten der Welt um das Museum herum angelegt, so konzipiert, dass sie nur von innen wie Gemälde betrachtet werden können, anstatt die Menschen einfach ziellos durch die Gärten wandern zu lassen. Teilweise sind die Fenster so angelegt, dass sie die Gärten wie Gemälde umrahmen und ihre Schönheit so hervorheben und der Blick in den Garten wie ein Blick auf ein Gemälde anmutet. Das Ergebnis ist eine atemberaubende Ausstellung von lebenden Gemälden, die das Museumsgebäude umkreisen, eine Verschmelzung von Kunst und Natur.

Eigentlich ist es nicht ein Garten, sondern sieben – jeder für sich schön, jeder etwas anders und die meisten von ihnen verbergen ein paar seltsame Geheimnisse.

So ist zum Beispiel der Wasserfall im Garten nicht natürlich, er wurde geschaffen, um ein Gemälde nachzuahmen, das der Gründer des Museums, Zento Adachi, liebte. Eine Kopie davon befindet sich an der Wand beim besten Aussichtspunkt auf den Wasserfall, so dass der Besucher vergleichen kann, wie ähnlich beides aussieht und mit welcher Hingabe an die Kunst ein Mann einen echten Wasserfall gebaut hat, der zu seinem Lieblingsbild passt!

Die Gärten des Adachi Museum of Art sind so gestaltet, dass sie zu jeder Jahreszeit fantastisch aussehen, mit immergrünen Bäumen, Wasserspielen und Felsvorstellungen, die auch dann interessant sind, wenn die Pflanzen nicht blühen. Die Gemälde sind somit nicht statisch, sondern verändern sich ständig, je nach Tages-, Jahreszeit und Wetter. Auch die Berge hinter den Gärten sind Teil dieser lebendigen Gemälde und fügen sich vollständig darin hinein.

Die Gestaltung der Gärten dauerte 15 Jahre, und selbst jetzt arbeitet ein Team von Gärtnern unermüdlich daran, sicherzustellen, dass es keinen Ast oder Blatt gibt, das nicht an seinem Platz ist. Jeden Morgen wird das Ganze gekämmt und vorbereitet, so dass es für die ersten Besucher perfekt aussieht. Und ich kann sagen, es ist nicht nur perfekt, sondern wirklich atemberaubend und wirklich etwas, was man gesehen haben muss. Und es ist von Matsue in circa 30 Minuten gut mit Bahn und kostenlosen Shuttlebus zu erreichen.

Man sollte nicht in Japan gewesen sein, ohne eine authentische Teezeremonie erlebt zu haben. Daher besuche ich zum Abschluss das Meimeian Tea House, welches sich auf einem Hügel gegenüber Matsue Castle befindet. Die Teezeremonie in Meimeian findet zwar in einem modernen Gebäude statt, aber dahinter befindet sich das ursprüngliche Teehaus aus dem Jahr 1779. Dies unterscheidet sich im Design sehr von einem traditionellen Teehaus, da das strohgedeckte Reetdach so gebaut wurde, dass es zum gegenüberliegenden Schloss passt. Interessant sind die niedrigen Türen, die so gebaut wurden, dass das erste, was der Gastgeber sah, wenn jemand den Raum betrat, der Kopf war – was Respekt zeigte. Und es verhinderte auch das Mitbringen eines Schwertes, was angesichts der Tatsache, wie viel früher hier gekämpft wurde, recht sinnvoll erschien.

Die Teezeremonie in Matsue unterscheidet sich etwas von anderen, da sie üblicherweise von einem Samurai-Lord gestaltet wurde, und somit auch die Grüße etwas anders sind. Ihr Gastgeber wird Sie mit einer Verbeugung begrüßen, so dass ihre Hände den Boden berühren – aber im Gegensatz zu anderen Teezeremonien werden ihre Fäuste zusammengedrückt und nur ihre Knöchel berühren den Boden, so wie die Samurai einander begrüßten.

Alles hat bei einer Teezeremonie eine Bedeutung und wird mit großer Sorgfalt gemacht – die Süßigkeiten, wie der Tee gegossen wird, wie man ihn trinkt und vieles mehr. Bei jeder Teezeremonie wird ein kleiner, süßer Kuchen serviert. Matsue ist bekannt für die Qualität und das saisonalen Pflanzen nachempfundene Design der Wagashi, dieser zarten Süßigkeiten, die vor dem Tee serviert werden, um dem bitteren Geschmack des Matcha entgegenzuwirken.

Die Heimreise beginnt mit einer Fahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen, die schnellste und bequemste Art in Japan zu reisen, nach Osaka, von wo aus es mit dem Flieger nach Hause geht. In knapp einer Woche habe ich viel gesehen und erlebt, und möchte sagen, dass der Westen von Japan so interessant ist, dass ich eigentlich viel mehr Zeit dafür hätte einplanen sollen und ich sicherlich wiederkommen werde.

Wer jetzt Lust auf einen Japanbesuch bekommen hat, kann sich für weitere Informationen an die Japanische Fremdenverkehrszentrale in Frankfurt wenden unter 069/20353 oder www.jnto.de

Als Reiseführer kann ich den lonely planet Japan (978-3-8297-4566-6) und den Reise Know-How Reiseführer von Japan (978-3-8317-2844-2) empfehlen.

Da Japan schon ein Land ist, wo für uns Europäer so manche Fettnäpfchen warten, empfehle ich auf jeden Fall auch die folgenden Bücher, die nicht nur informativ sind, sondern auch oft zum Schmunzeln anregen.

„Fettnäpfchenführer Japan – Die Axt im Chrysanthemenwald“ aus dem Conbook Verlag (978-3-95889-178-4), ebenso wie „Liebe auf Japanisch“ (978-3-95889-200-2)

„KulturSchock Japan“ (978-3-8317-2971-5) und „So sind sie, die Japaner“ aus der Reihe „Die Fremdenversteher“ aus dem Reise Know-How Verlag (978-3-8317-2877-0)

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