Friedlicher Bodden, alte Reethäuser, endlose Strände: Der Südosten Rügens ist besonders ursprünglich und einsam. Bei einer Radtour von Putbus zur Halbinsel Mönchgut ist man mit Wind, Wellen und Sonne oft fast alleine.
Bevor wir sie sehen, ist sie bereits zu hören. Ein lautes Tschuff, Tschuff, Tschuff, ein Stöhnen und Ächzen wie von einem riesigen Tier – und dann ist sie da: In eine große Dampfwolke gehüllt, fährt die pechschwarze Lokomotive mit ihren nostalgischen Anhängern in den Bahnhof von Göhren ein. Auf dem Bahnsteig jubeln Kinder, Erwachsene zücken das Handy, machen Bilder und Videos. Mit einem letzten tiefen Schnaufen kommt der „Rasende Roland“, seit 1895 in Betrieb, in einer großen Qualmwolke zum Stehen. Die historische Schmalspurbahn ist mit ihrer 24 Kilometer langen Trasse ein Highlight im Südosten der Insel Rügen. Mit dem Oldie-Zug werden wir zurück nach Putbus fahren, wo wir heute Morgen mit unseren Fahrrädern zu einer gemütlichen Tour entlang von Bodden und Ostseeküste gestartet sind.
Rügen ist Radlerland. Deutschlands größte Insel eignet sich bestens für kurze und lange Radtouren. Auf vielen gut ausgeschilderten Wegen kann man das schöne, wilde Rügen abseits der großen Strandbäder erkunden, dabei einsame Buchten, kleine Dörfer mit Boddenhäfen und das weite Hinterland im Innern erkunden. Ausruhen kann man an feinkörnigen Stränden.
Unsere Tour beginnt also in Putbus, 4.500-Einwohner-Ort, mit seinen vielen Bauten im klassizistischen Stil auch „Weiße Stadt“ genannt. Die Route führt rund 30 Kilometer weit über Lauterbach, Groß Stresow und Moritzdorf bis hin zur stillen Halbinsel Mönchgut. Oft geht es dabei direkt am Bodden entlang, dann durch kleine Waldstücke, in denen es nach Pilzen riecht, und über Hügel, die tolle Ausblicke auf die Landschaft im Südosten bieten. Am Wegesrand träumen weiß gelockte Schafe, wir radeln durch Alleen von Obstbäumen, kommen an Pferdekoppeln und reetgedeckten Häusern vorbei – es ist eine Region des Friedens und der Stille.
Unterwegs gibt es reichlich Verlockungen zur Radlerpause. In Groß Stresow etwa mit seinen gerade mal 38(!) Einwohnern und dem Eiscafé „Haases Eishütte“ – Tische und Bänke stehen unter einer großen Kastanie am Wasser, wir wollen gar nicht mehr weg. In Seedorf folgt dann der große Mittagshunger, da kommt der Duft von frisch geräuchertem Fisch genau richtig. Ein leckeres Matjesbrötchen am Hafen, dann geht die Fahrt weiter. Etappenziel ist Moritzdorf, von dort setzt die Ruderfähre über nach Baabe auf Mönchgut.
Das Meer spielte für die Bewohner von Mönchgut immer eine große Rolle
Diese Halbinsel wird von der Ostsee, dem Greifswalder Bodden und der lagunenartigen Bucht Having umspült. Lange Zeit war sie durch den Mönchgraben ganz vom Hauptteil Rügens getrennt, darum konnte sich Mönchgut lange viele alte Traditionen bewahren. Die Region hieß einst Reddevitz und wurde zum „Mönike Guedt“, als Slawenfürst Jaromar II. sie anno 1252 den Mönchen von Eldena schenkte. Viele Mönchguter waren oder sind bis heute Bauern, und das prägt die Region – noch immer ist der Tourismus hier noch nicht so intensiv spürbar wie in anderen Teilen der Insel. Neben der Landwirtschaft spielte das Meer einst eine große Rolle auf Mönchgut, etliche Bewohner verdienten ihr Geld als Lotsen, Bootsbauer oder Fischer. Das Küstenfischermuseum in Baabe zeigt heute einige ehemalige Produktionsmittel dieser Branche, zum Beispiel Boote, eine Originalreuse und eine Heringssortiermaschine.
Vorne schnauft die historische Lok, unten rattern die alten Räder
Wir radeln über sanft gewellte Hügel und auf schmale Landzungen hinaus, die sich weit in die Gewässer erstrecken, darunter Schönheiten wie die Region um den Ort Middelhagen mit seinem Schulmuseum. Die höchste Erhebung hier misst stolze 66 Meter, da kommt niemand so schnell aus der Puste. Vom Ostseebad Baabe führt die Route über den Dünenweg, der Radweg geht nah am Strand entlang, ein kleiner Nadelwald trennt ihn von der Straße. So fahren wir entspannt bis zum Tagesziel Göhren, mit knapp 1.300 Einwohnern einer der wichtigsten Erholungsorte der Halbinsel mit schönen Häusern im Stil der Bäderarchitektur.
Hier steigen wir nun in den Rasenden Roland für die Rückreise in Richtung Putbus, die Fahrräder können mit. Vorne schnauft die historische Lok, unter den Füßen rattern alte Räder über die Gleise, während über Mönchgut romantisch die Sonne versinkt. Und wenn es nach uns ginge, könnte die Fahrt ewig dauern.
Weitere Informationen: www.ruegen.de, www.auf-nach-mv.de/radtour-moenchgut