Graz – Geschichte, Kunst und Genuss auf Schritt und Tritt

Grazer Dachlandschaft ©Graz Tourismus Werner Krug

Graz, die zweitgrößte Stadt Österreichs, hat viel zu bieten: Sie zeigt sich mit einer komplett erhaltenen historischen Altstadt und gleichzeitig auch modern, mit dem Kunsthaus und der Murinsel. Die steirische Hauptstadt bietet Geschichte, Kunst und Küche in Hülle und Fülle.

Kunsthaus in Graz ©Gabi Dräger

Beim Blick auf das blaue abgerundete Dach mit fünfzehn schrägen Lichteinlass-Rüsseln – nozzles – glaubt man, auf einem anderen Planeten zu sein. Das Haus wird deshalb von den Einheimischen auch „Friendly Alien“ genannt. Kinder bezeichnen die Lichteinlässe auch als Sauger, Stacheln, Fußballschuhstoppeln und das Haus auch als Seegurke, Walfisch oder Stachelschwein – ausgefallener und wilder geht es wirklich nicht. Das Kunsthaus in Graz für zeitgenössische Kunst unterscheidet sich deutlich von anderen Ausstellungsgebäuden in Österreich. Es wurde von Peter Cook und Colin Fournier im Jahre 2003 im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres errichtet und gilt als das architektonische Wahrzeichen der Stadt Graz. Nach der Besichtigung der aktuellen Ausstellung ist oben in der „Needle“, einer rundum verglasten Aussichtsplattform, ein Espresso mit Blick auf den gegenüberliegenden Schlossberg, angesagt. Das Kunsthauscafé im Erdgeschoß mit Terrasse ist vor allem am Abend ein Szenetreff.

Murinsel Graz ©Gabi Dräger

Mag. Judith Ebner-Zamazal von Austria Guides leitet die Stadtführung. Sie erklärt, dass das Viertel um das Kunsthaus früher das Scherbenviertel mit Prostitution war. Heute ist das Viertel stark im Aufwind, es ist ein angesagtes hippes Viertel, das absolute Trendviertel.

Mit Judith geht es vom Kunsthaus zur großen Brücke über die Mur. Auf der Brücke sieht man die Murinsel aus Stahl und Glas, die in der Mur schwimmt und wie eine überdimensionale Muschel aussieht. Es gibt auf der künstlichen Insel ein Café und eine Freiluftbühne für verschiedene Events.

Graz ©Gabi Dräger

Auf der anderen Seite der Mur erreicht man den Franziskanerplatz. Der Kirchturm des Franziskaner Klosters aus dem Jahre 1239 überragt majestätisch die Gegend. Früher hieß das Viertel, das „Kälberne Viertel“, da hier die Metzger ansässig waren. Heute gibt es hier dafür unzählige Cafés und Gaststätten. Eine Besonderheit gibt es beim Linzbichler: Süße Kieselsteine, nicht aus der Mur, sondern zum Essen, aus getrockneten Aprikosen, Mandeln und Zucker. Die Schokolade von Zotter aus der Steiermark sollte man bei der Gelegenheit auch gleich probieren. In der Stadt gibt es viele Schanigärten, die Grazer lieben es draußen zu sitzen. Judith erklärt, dass Graz vom mediterranen und milden Klima verwöhnt wird und dass es nur sehr selten schneit. Und dann erzählt sie noch die Geschichte der Katharina Prato, einer gebürtigen Grazerin und schriftstellende Kochkünstlerin, die im 19. Jahrhundert lebte. Der Ausdruck „man nehme“ in vielen Kochrezepten stammt von ihr. Sie begann ihre Rezepte aufzuschreiben, als ihr erster Ehemann magenleidend war. Mit ihrem zweiten Mann reiste sie viel und sammelte so Rezepte in Gasthäusern, die sie als Kochbuch veröffentlichte. Durch die Altstadt führt Judith weiter zum Hauptplatz mit seinem klassizistischen Rathaus, das den pulsierenden Platz dominiert. Hier fanden schon vor dem 12. Jahrhundert Bauernmärkte statt. Heute gibt es Imbissstände mit diversen Würstchen, Schnitzelsemmeln oder auch mit asiatischen Nudelgerichten. Der Hauptplatz ist zentraler Umsteigepunkt für viele Straßenbahnlinien. Häufig hört man das Klingeln einer Straßenbahn, die deshalb von den Grazern nur kurz „Bim“ genannt wird. Der Hauptplatz ist von herrschaftlichen Gebäuden umringt, die die Eleganz der vergangenen Epochen widerspiegeln. Aufgrund der gut erhaltenen historischen Gebäude ist Graz im UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen worden. Der Brunnen mit seiner überlebensgroßen Bronzestatue erinnert an den Habsburger Erzherzog Johann, der von 1782 bis 1859 lebte. Er war liberal, hat sehr viel für sein Volk getan, war mit einer Bürgerlichen Anna Plochl verheiratet und hatte mit ihr einen Sohn.

Graz ©Gabi Dräger

Dann geht es weiter zum Landhaus, dem Sitz der Landesregierung, im italienischen Renaissancestil, mit seinem beeindruckenden Arkadenhof. In einer Ecke des Innenhofs sitzt die Statue des spähenden Fauns, den fast jeder fotografiert. Am Eingang erinnern Tafeln aus dem 16. Jahrhundert, dass es untersagt ist, hier „zu rumoren, Schwert, Dolch oder Brotmesser zu zücken, sich zu balgen und zu schlagen“. Fans von historischen Waffen und Rüstungen kommen im Landeszeughaus des Landeshauses mit 32.000 ausgestellten Exponaten auf ihre Kosten, denn es ist die größte Rüstungskammer der Welt.

Graz ©Gabi Dräger

Die Herrengasse ist die beliebteste Einkaufsstraße in Graz. Das Traditionelle Kaufhaus Kastner & Öhler in der Sackstraße ist seit 150 Jahren der Modetempel zum edlen oder trendigen Einkaufen. Außerdem findet man in der Sackstraße viele kleine Galerien, Ateliers, Schmuck- und Antiquitätengeschäfte.

Das Operncafé, gegenüber des Opernhauses, ist sehr gut besucht, hier trifft man sich entspannt am Nachmittag. Das Kuchenangebot ist verlockend. Zum Dom ist es dann nur noch ein Katzensprung. Er ist von außen eher gotisch schlicht gehalten, doch beim Eintritt wird man von seiner prunkvoll-verspielten barocker Ausstattung überwältigt.

Highlight Schloßberg

Uhrturm auf dem Schlossberg ©Graz Tourismus Markus Spenger

Der 123 Meter hohe Schloßberg ist ein absolutes Highlight in Graz. Man kann entweder bequem die Schloßbergbahn, eine Standseilbahn, oder den Glaslift benutzen, so spart man sich 260 Stufen. Der Rundumblick auf Graz mit der Mur und das umliegende Bergland ist gigantisch. Seltsamerweise heißt es Schloßberg, obwohl auf dem Berg nie ein Schloss stand. Es gab nur eine Festung, die noch heute zu sehen ist. An der starken Festung sind die Türken und auch Napoleon gescheitert. Erst 1809 wurde die Festung von den Franzosen eingenommen. Auf dem Gipfelplateau stehen der Glockenturm und der 28 Meter hohe Uhrturm, er ist ein Wahrzeichen der Stadt. Seltsam ist, dass der Minutenzeiger kurz und der Stundenzeiger lang ist. Im Restaurant Schloßberg mit einer großen Panoramascheibe oder im Biergarten kann man je nach Wetter eine Pause einlegen. Der Abend lockt mit einem Würstlstand, einer Beisl, einer Weinstube, einer Gaststätte oder einem Restaurant mit Haubenküche. Graz hat ein vielfältiges Angebot. Das Restaurant Schmidhofer im Palais sorgt im historisch alten Gewölbe für eine gemütliche Atmosphäre und einer Haubenküche. Ein Beef Tartar, gefolgt von einem Steinbutt Filet in der Kartoffelkruste und einem Weißburgunder, natürlich aus der Steiermark sind, sind der krönende Abschluss des Tages.

Kunsthotel

Wer sich für moderne österreichische Kunst interessiert, der ist im Schloßberghotel genau richtig aufgehoben. Im Hotel prallen Vergangenheit und Gegenwart aufeinander. Im historischen Gebäude wird kontrastreich im ganzen Haus zeitgenössische Kunst gezeigt. Der Kunstsammler ist Dr. Helmut Marko, der Besitzer des Hotels. Es gibt am steilen Schloßberg noch verschiedene Dachterrassen mit Skulpturen und auch einem Schwimmbad. Das Hotel ist das wohl schönste Kunsthotel Europas. Es war 1596 für Jahrhunderte eine K&K Hoftischlerei. Danach wurde das Gebäude zum „Gasthof Bierstrom“ und in den 1980er Jahren wurde das Schlossberghotel eröffnet. „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens“, von Jean Paul, so steht es im Hotel geschrieben. Ausgestellte Künstler sind: Siegfried Anzinger, Christian Ludwig Attersee, Herbert Brandl, Gunter Damisch, Xenia Hausner, Kiki Kogelnik, Maria Lassnig, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer und Erwin Wurm.

Graz hat viel zu bieten, an einem oder zwei Tagen kann man nicht alles sehen und auch nicht alle steierischen Spezialitäten kosten. Ein Backhendl mit Kürbiskernöl, Erdäpfelsalat oder Vogerlsalat, Käferbohnen, Sterrz, Steirerschnitzel, Blunzengröstl oder das klassische Wurzelfleisch sollte man testen. Ohne Kaiserschmarrn und Marillenknödel geht sowieso gar nichts. Nicht umsonst gilt Graz als Genusshauptstadt. Man muss einfach länger in Graz bleiben oder einfach immer wieder kommen.