Es ist so weit – einsteigen in den Stocherkahn in Vaihingen an der Enz. Aber einzeln einsteigen, denn der Kahn schaukelt bei jedem Schritt kräftig in der Enz. „Keine Angst, der Kahn kippt nur schwer um, da muss man schon kräftig schaukeln“, sagt Andreas Schuller. Er ist Berufsschiffer, das ist ein traditioneller Beruf. Wenn er nicht stochert, dann kocht er für 100 Kinder in der Kindertagesstätte Rabennest, arbeitet am Wochenende in seinem Gasthaus zum Engel mit schwäbischer Küche. Außerdem weiß er alles über Vaihingen an der Enz.
Pulverturm und Schloss Kaltenstein
Geschafft, alle sitzen im Kahn, die Fahrt kann beginnen. Andreas steht im Bug und stößt den Kahn mit der 6,50 Meter langen Stange am Grund ab. Zuerst geht es an der verfallenen Sägemühle auf einer Insel zwischen zwei Wehren entlang. Dann zieht der Kahn am dicken Pulverturm vorbei. Hoch oben überragt das Schloss Kaltenstein, mit dem Ursprung im 11. Jahrhundert ist es das Wahrzeichen der Stadt, alles. Das Schloss ging durch mehrere Hände von Graf von Calw, Grafen von Vaihingen und Grafen von Oettingen. Danach war die Anlage Truppenstützpunkt, Militärkrankenhaus, Arbeiterhaus und sogar Gefängnis. Seit 1949 gehört es zum Christlichen Jugenddorf Deutschland und ist eine Jugend-, Bildungs- und Sozialeinrichtung. Der ganze Schlossberg ist mit Wein bewachsen. Vaihingen an der Enz ist vom Weinbau geprägt. Die hiesigen Weingärtner bauen, teilweise an terrassierten Steillagen, die gesamte Palette der württembergischen Rebsorten an.
Der Mühlkanal im Farbrausch
Früher waren in Vaihingen an der Enz viele Gerbereien angesiedelt, manchmal bis zu 28. Mit einem Kahn wurde die gemahlene Rinde, die zur Bearbeitung des Leders verwendet wurde, über den Kanal zu den Gerbern gebracht. Das Wasser des Mühlkanals war mal rot, blau oder gelb gefärbt. Seit 1950 gibt es keine Gerbereien mehr, die Wasserqualität hat sich seitdem so drastisch verbessert, dass im Kanal und in der Enz heute Fische wie Rotaugen, Welse, Zander, Karpfen, Forellen, Hechte und Aale leben. Silberreiher, Störche, Schwäne und Eisvögel kann man, wenn man Glück hat, entdecken. Wildgänse dagegen gibt es so viele, sie sind schon fast eine Plage. Ja, Stocherkahn fahren ist eine gemütliche Sache, denn Andreas hat allein die ganze Arbeit. Vor der Brücke macht der Kanal eine Kurve – an der rechten Seite ist ein Tunnel zu sehen, das war der alte Mühlkanal.
Drachenloch und böser Bube
Dann folgt ein Wehr und Andreas sagt, dass der Kanal hier acht Meter tief ist und die Stelle Drachenloch heißt. Der Sage nach wollte ein riesiger Drache das Schloss Kaltenstein einnehmen, doch tapfere Männer haben den Drachen den Berg hinunter gestoßen. Der Drache fiel in die Enz und hinterließ ein tiefes Loch, das es heute noch gibt. Für das Drachenloch ist die Stocherstange zu kurz. Dann gab es noch einen bösen Buben, der im 18. Jahrhundert in Vaihingen an der Enz geschnappt wurde. Der berühmte Verbrecher Friedrich Schwahn, der auch „Sonnenwirtle von Ebersbach“ genannt wurde, hat schon mit acht Jahren die Gänse des Nachbarn getötet. Er führte ein Leben zwischen Überfällen, Diebstählen, Prügeleien, Wildereien, Mord und Zuchthaus. Friedrich Schwahn wurde in Vaihingen an der Enz verhaftet und zum Tode verurteilt. Er wurde mit seinen Gefährtinnen, der Magd Katharina Schenk und der Schwarzen Christina, zum Galgenfeld geführt. Beide Frauen wurden am Galgen gehängt. Schwahn wurde gerädert, er hat aber trotz der höllischen Schmerzen keinen Ton von sich gegeben.
Wilde Natur und Fischtreppe
Der Kahn treibt langsam an einem mit Bäumen und Büschen verwachsen Ufer entlang. Hier lagen vor 800 Jahren die Gärten der Bewohner, da Vaihingen an der Enz eine ganz enge Festungsstadt ohne Grün war. In den Parzellen wurde Gemüse und Obst angebaut. An der „Rauen Rampe“, der Fischtreppe neben der oberen Mühle, wird der Stocherkahn umgedreht. An der rechten Uferseite ist eine Fabrik zu sehen, die Granulat aus Tierhaut herstellt. Das ist ein Klebstoff, der für den Geigenbau verarbeitet wird. „Der bäbbt gut“, sagt Andreas. Die Stocherkahnfahrt endet wieder am Einstieg – hier heißt es wieder einzeln aussteigen. Nein, der Kahn ist nicht umgekippt.
Das Herz eines Löwen
Der Marktplatz in Vaihingen an der Enz zeigt einen Dreiklang mit dem Rathaus, der Stadtkirche und dem Schloss Kaltenstein. Schon im Jahre 779 gab es die erste urkundliche Erwähnung. Im Café Corleo (von Cor Leonis abgeleitet) wird man in der Speisekarte aufgeklärt, dass der Name aus dem Lateinischen übersetzt heißt: Das Herz eines Löwen. Das kommt daher, weil ein Löwe im Stadtwappen abgebildet ist. Das Café liegt in der Fußgängerzone, also ganz zentral im Stadtzentrum. Das Tagesgericht ist ein typisches schwäbisches Gericht, der „Gaisburger Marsch“, der mit viel Gemüse, Rindfleisch und Spätzle angerichtet wird.
Lemberger Land – kleines Land mit großem Genuss
In der Roßwager Kellerei Lembergerland gibt es eine Weinverkostung. Wahrscheinlich ist das Lembergerland mit seinen terrassierten, steilen Hängen, eines der kleinsten Weinanbauländer der Welt. Ein fliegender Schwan ist das Symbol. Im Weinberg gibt es 401 Stäffele (schwäbisch für Stufen) bis zum höchsten Punkt im Weinberg, daher bekommt der Wein den Namen „401“. Ein Weißburgunder wird zuerst getestet; er ist ein In-Getränk und wird gerade gehypt. Danach folgt der 401 Rosé trocken, der mit seiner würzigen Leichtigkeit überrascht. Der 401 Herzblut trocken, schmeckt erdig, pfeffrig und fruchtig. Eine Brotzeit rundet die Weinprobe ab. An der Enz ist viel passiert. Die Weinberge mit ihren Trockenmauern gibt es schon seit mehr als 1000 Jahren, den Grundstein legten die alten Römer. Da die Ebene für den Getreideanbau genutzt wurde, mussten die Weinreben auf die Steilhänge ausweichen. Früher konnte man kein Wasser trinken, da es verschmutzt war, deshalb trank man lieber Wein und Bier. Es hieß: lieber betrunken sein, als die Ruhr haben.
Events in den Weinbergen
Der „Stäffele Team Lauf“ im Weinberg über die 401 Stufen in etwa neun Minuten ist in jedem Jahr ein großes Fest. Ein weiteres Event ist klassische Musik im Weinberg und zwar mit Schlafbrille, um sich nicht ablenken zu lassen. So kann man sich ganz auf die Musik und den Wein konzentrieren.
E-Bike-Tour zum Eselsturm
Der Weg durch den Weinberg geht stetig bergauf, mit dem E-Bike ist das kein Problem. Die Weinberge leuchten im Herbst im Farbspiel: grün, gelb und rot. Immer wieder schweift der Blick über die Weinberge ins Tal. Der Eselsturm taucht unvermittelt am Gipfel im Wald auf. 73 Stufen muss man noch aufsteigen für den Blick aus der Vogelperspektive auf Ensingen. Dann geht es auf Laub bedeckten Wegen bergab am Horrheimer See entlang. Zurück in Horrheim gibt es im Gasthof Rebstöckle das typisch schwäbische Gericht: Maultaschen in Brühe. „Herrgottsbescheißerle“ heißen die Maultaschen auch. Da man während der Fastenzeit kein Fleisch essen durfte, haben die Schwaben das Fleisch einfach in den Maultaschen versteckt. Früher waren die Maultaschen ein Gericht der armen Leute, da Fleisch-, Brot- und Gemüsereste in der Füllung verarbeitet werden konnten. Heute sind sie ein wichtiger Bestandteil der schwäbischen Küche.
Horrheim – Schwäbische Idylle
Das Hotel Lamm, welches zu den Landidyll Hotels gehört, liegt im Stadtkern von Horrheim, gleich neben dem Rathaus, umringt von vielen Fachwerkhäusern, die den Ort charakterisieren. Der totale Genuss ist ein Frühstück auf der Terrasse des Hotels, mit Sonne und Blick auf den alten Kirchplatz mit der schlichten Clemenskirche. Sabine Bramm, die Hotelbesitzerin, ist natürlich eine echte Schwäbin, sie führt das Hotel Lamm traditionsbewusst und doch modern.
Schwäbisch ist das Thema
Die regionale Küche, wie soll es auch anders sein, ist natürlich schwäbisch. Sie ist das Thema im Hotel Lamm, allerdings wird sie neu interpretiert. Die Mediterrane Küche dominiert den Sommer, dazu schmeckt ein leichter Wein, ein Trollinger. Im Herbst ist Wildzeit und dann folgt die Gänsezeit, beides spiegelt sich in der Speisekarte wider. Das Abendmenü im Herbst fängt mit Kürbisrisotto an, dann folgt Hirschrücken mit Pilzen und Rosenkohl oder Maultaschen. Der Nachtisch besteht aus Grießknödel mit Zwetschgenkompott. „Das Essen war gut, ein schöner Abend“, so soll es sein. Horrheim, wo das Hotel Lamm zu Hause ist, ist ein Stadtteil von Vaihingen an der Enz. Die Lage ist ideal, man braucht nur 40 Minuten mit dem Auto nach Stuttgart oder eine gute Stunde mit dem Bus und Zug nach Stuttgart. Man wohnt idyllisch ruhig und hat Stuttgart und auch Vaihingen an der Enz in unmittelbarer Nähe für Kultur und Events.
Landidyll Hotels und Restaurants
Landidyll Hotels & Restaurants sind ein freiwilliger Zusammenschluss von inhabergeführten Privathotels auf dem Land im 3- bis 4-Sterne-Superior-Bereich. Die Mitgliedshäuser haben sich dem gepflegten Landleben mit feiner regionaler Küche, nachhaltiger Bewirtschaftung und landestypischen Freizeitangeboten verschrieben. Unter dem Dach der Kooperation bleibt jedes Hotel für sich eigenständig und trägt die charmante Handschrift der Gastgeber und Region.
Weitere Informationen zu Vaihingen an der Enz gibt es unter www.vaihingen.de
Text und Bilder: Gabi Dräger