Niederschlesien in dem polnisch-tschechischen Grenzgebiet ist sicherlich keine Region, die überfüllt von Touristen wäre. Dabei ist es ein wunderschönes Fleckchen Erde, mit abwechslungsreichen Naturlandschaften und vielen Spuren europäischer Kultur und Geschichte und sicherlich eine Reise wert. Hier gibt es bekannte Sehenswürdigkeiten, aber vor allen Dingen auch viele weniger bekannte Sehenswürdigkeiten, oft mit einer geheimnisumwobenen Geschichte. In Niederschlesien sind viele Begebenheiten aus der alten wie aus der neuesten Geschichte bis heute nicht geklärt. Gerade die Deutschen mit ihrer unrühmlichen Rolle während der Nazizeit haben hier viele Spuren und Geheimnisse hinterlassen, und sind Grund manch geheimnisvoller Mythen. Es wird bis heute noch in Niederschlesien nach dem legendären Goldzug der Nazis und dem verschollenen Bernsteinzimmer gesucht. So kommen auch viele Leute hierher, die nicht nur Erholung suchen, sondern auch Geheimnisjäger und Touristen, die den Fragen der Geschichte nachgehen wollen. Hier gibt es einfach viele Orte mit Legenden und Mythen, sei es in den Bergen des Riesengebirges oder auch unter der Erde in Bergwerken und Stollen.
Ein Grund dafür ist auch ein gigantisches, von Mythen überwuchertes Bauprojekt, das Hitlers Lieblingsarchitekt und Rüstungsminister Albert Speer hier 1943 bis 1945 verwirklichen wollte. Es trug den wirklich für das Riesengebirge -so wird das Eulengebirge auch genannt- passenden Namen „Riese“.
Von zeitweise bis zu 23.000 Beschäftigten, überwiegend Zwangsarbeitern und KZ-Insassen, wurden hier an unterschiedlichen Orten Tunnel und Bauwerke in die Felsen des Eulengebirges hineingetrieben. Es sollte ein gewaltiges Führungszentrum für die Wehrmacht entstehen, außerdem mehrere Fabriken, für die vermeintlichen Wunderwaffen, die Hitlers Regime noch retten sollten. Tausende Menschen erlagen den katastrophalen Arbeitsbedingungen oder wurden zu Tode geschunden, und so sind heute die Dutzende Rohbauten von diesem Projekt, darunter halb erweiterte oder unfertige Stollen und Tunnel, mahnende Erinnerungen, an das grausame Hitlerregime.
Im Stollen Walim (Wüstewaltersdorf) sind die menschenverachtenden Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter sehr gut während der geführten Touren nachzuempfinden. Hier sollten die legendären Wunderwaffen gebaut werden.
Schloss Fürstenstein – Ein Schloss mit bewegter Geschichte
Ein Führerhauptquartier sollte auf Schloss Fürstenstein entstehen, dem größten Schloss in Niederschlesien, rund 70 Kilometer von Breslau (Wroclaw) entfernt. Gebaut zwischen 1288 und 1292, gingen und lebten hier viele Fürsten und Präsidenten bis es 1941 schließlich von Hitler beschlagnahmt wurde. Angeblich sollte hier in der Endphase des Zweiten Weltkrieges unter der Planung von Albert Speer ein neues Führerhauptquartier erschaffen werden, das die „Wolfsschanze“ in Ostpreußen ersetzen oder ergänzen sollte.
Der Keller unter dem Schloss wurde von Hitler großräumig ausgebaut und ein ausgeklügeltes Tunnelsystem geschaffen, um das sich bis heute viele Mythen ranken.
Bis heute weiß man nicht, ob das über 3000 qm große Tunnelsystem auf zwei Ebenen, 15 und 50 Metern unter dem Schloss, Produktionsstätte von Kriegswaffen, oder Lagerstätte für die geraubten Reichtümer des Nazi-Regimes sein sollte. Die Tunnel sind so riesig ausgebaut, dass hier ganze Eisenbahnwaggons Platz hatten. So vermuten auch manche, dass hier der legendäre Goldzug versteckt war, und vielleicht von der Roten Armee zum Kriegsende geraubt wurde.
Heute kann man Tunnelsystem, wie auch das Schloss besichtigen. Und abgesehen von diesem dunklen Teil seiner Geschichte ist Schloss Fürstenstein oberirdisch eher ein niederschlesisches Märchenschloss mit wundervollen barocken Räumlichkeiten und einem romantischen Schlosspark. Durch seine Lage auf einem Hügel und seinem Aussehen, kommen Vergleiche zu Neuschwanstein hoch, wobei dieses Schloss bis zu seiner Besetzung ja auch von Fürsten bewohnt war.
Festung Glatz
Eine ganz andere Historie hat die Festung Glatz. Die Festung liegt auf einem Berg über der Stadt Glatz, eine der ältesten Niederschlesiens. Sie erhielt bereits 1275 die Stadtrechte. Polen, Tschechen und Deutsche lebten in der Stadt und sorgten auch aufgrund der Lage an der Handelsstraße Bernsteinroute für die große kulturelle Blüte im 16.Jh., die Glatz und seine Altstadt bis heute prägen. Die ehemals böhmische Burg wurde im 15. Jahrhundert zu einem Schloss erweitert, und im 17.-18. Jahrhundert zu einer Festung von beeindruckender Größe umgebaut. Heute ist sie ein touristisches Highlight und gilt als klassisches Beispiel für Verteidigungsarchitektur und wertvollste Fortifikationsanlage des 17. und 18. Jhd. in Polen. Mit ihren verwinkelten Gängen, Bastionen, Höfen, Kasematten und den vielen verschiedenen kleinen Ausstellungen sind sie ein lohnendes Ausflugsziel auch für Familien – ganz zu schweigen von den herrlichen Aussicht auf die Stadt und deren Umgebung.
Abenteuer Goldgrube
Nicht weit von Glatz, nahe der tschechischen Grenze, liegt die malerische Kleinstadt Reichenstein (Złoty Stok). Schon um 2000 vor Christus sollen Menschen hier nach Gold gesucht haben Und diese Stadt war früher wirklich reich mit vielen reichen Bürgern, da vor ihren Toren eines der früher bedeutendsten Gold- und Erzvorkommen ganz Europas lag. So wurde hier zur Blütezeit im 16. Jhdt. u.a. durch Augsburger Handelsfamilie Fugger fast zehn Prozent des europäischen Goldes gefördert. Die Arbeitsbedingungen waren hart und gefährlich. Es kam zu vielen Unfällen und Einstürzen von Schächten mit vielen Toten. So wurde irgendwann das Schürfen nach Gold eingestellt.
Viele Jahre später wurden hier riesige Arsenvorkommen entdeckt und man baute mit den Jahre 126.000 Tonnen Arsen ab, genug um die ganze Menschheit 19-mal zu vergiften, wie Touristenführer erzählen.
Heute kann die ehemalige Goldgrube besichtigt werden. Eine Dauerausstellung informiert im Stollen Gertrud auf einer 500 Meter langen Abbaustrecke über die Geschichte der Grube. Zum Beispiel über den im 17. Jahrhundert noch von Hand gehauenen „Schwarze Stollen“, der 200 Meter lang ist. Auf der Tour durch die Stollen trifft man aber auch auf lebende Alchemisten und Gnome -natürlich Darsteller-, läuft durch mit fluoreszierenden Spinnenweben dekorierten Gänge, bevor es mit der Grubenbahn wieder an das Tageslicht geht. Auch Bootsfahrten sind in einem Stollen möglich.
Seit 1999 gehört die Grube einer Familie, die es zu einem touristischen Hotspot mit Gastronomie, Hotel, Museum, einem Mittelalterdorf, Klettergarten und selbst einer Paintballanlage, gemacht haben, der inzwischen rund 200.000 Besucher pro Jahr anzieht.
Ein kurzweiliger und interessanter Besuch für Groß und Klein, und gemeinsam können all zum Schluss auch versuchen, selbst noch ein wenig Gold zu schürfen.
Auf den Spuren des Erzbergbaus
Wieder etwas ganz anderes ist der Geopark in Krobica (Krobsdorf) mit einem 350m langen touristischen unterirdischen Lehrpfad, der den Besucher die Geschichte und Mühen des einstigen Erzbergbaus nachempfinden lassen soll, wo die Bergleute noch mühsam in händischer Arbeit die Stollen in den Berg trieben und dann dort im Berg das Erz aus dem Gestein klopften.
All diese und noch mehr unterirdischen Stollen- und Tunnelanlagen sind zusammengefasst zu einer „Route der geheimen Untergründe mit einem eigenen Flyer und Internetauftritt.
Mystisches Felsenstadt Adersbach
Aber auch oberirdisch präsentiert Niederschlesien eine wunderschöne Naturlandschaft. Besonders atemberaubend sind die Adersbacher Felsen im Nachbarland, nahe der polnischen Grenze und dem tschechischen Ort Adrspach. Sie zählen zu Recht zu den mit am häufigsten besuchten Naturdenkmäler Tschechiens.
Die wundervolle Schönheit der Felsenstadt lockt schon seit hunderten von Jahren Besucher an, Naturfreunde, aber auch Kletterer, die eine Herausforderung suchen. Heutzutage ist das Klettern hier größtenteils verboten, da die meisten Felsformationen Naturdenkmäler sind. Die, meist malerisch gruppierten, Sandsteinfelsen befinden sich auf einer Fläche von 20 Km², ca. 500 m über dem Meeresspiegel. Gewaltige Felsen ragen hier in die Höhe. Bildeten Sie doch vor Millionen von Jahren zusammen ein Felsplateau aus Sandstein Platte, so sind sie durch Einfluss von Wasser, Sonne, Frost und Wind im Laufe der Jahrtausende allmählich ausgewaschen worden. So entstanden viele Säulen bis 100m hoch, Terrassen und Mulden mit steilen Wänden oder Höhlen, obskure Felsengebilde, denen die menschliche Fantasie mystische und romantische Namen gab. Durch das ausgedehnte Felsenturmlabyrinth führen verschiedene gut markierte Rundwege.
Der „grüne“ Weg
Einer davon ist der Grüne Weg, auf dem es die schönsten Felsformationen zu sehen gibt, und der auch mitten durch die Felsen führt.
Viele der Felsen haben bestimmte Namen bekommen, wie „Der Bürgermeister und die Bürgermeisterin“, oder „Elefantenplatz“. Manchmal ist es nicht ganz so einfach, diese Titel in den Formationen wirklich wieder zu erkennen, aber sie sind einfach schön.
Ebenfalls wunderschön ist das Gotische Tor, dass Erinnerungen an das Film-Epos „Herr der Ringe“ aufkommen lässt. Ursprünglich war es einmal das Eingangstor die Adersbacher Felsenstadt.
Auf jeden Fall sollte man für einen Besuch mehr Zeit einplanen, denn es gibt hier so viel zu entdecken und viele romantische Plätze, wo man einfach auch länger verweilen möchte.
Und das gilt für ganz Niederschlesien, denn es gibt dort noch viel mehr schöne und interessante Orte und Sehenswürdigkeiten als die hier Erwähnten.
Und es gibt viele schöne und unterschiedliche Unterkünfte für jeden Geldbeutel, wobei auch eine Übernachtung in einem komfortablen Schlosshotel, wie Schloss Kamnitz, oder in einem Fünf-Sterne-Hotel, wie das Green Mountain Hotel, in Niederschlesien absolut erschwinglich ist. Aber auch so ein kleiner familiengeführter Gasthof wie die Villa Greta ist eine absolute Empfehlung wert.
Die Anreise erfolgt am besten über Breslau (Wroclaw)
Mehr Informationen zu Polen unter www.polen.travel und zur „Route der geheimen Untergründe“