Sarah Rehding, Mitarbeiterin von dem Reiseveranstalter China Tours war für knapp eine Woche in China unterwegs und besuchte unter anderem die noch bei Touristen recht unbekannte Provinz Hunan. Ihre Erlebnisse dort möchte Sie mit Ihnen unseren Lesern teilen:
Meine Chinareise beginnt in der Provinz Hunan, genauer gesagt in der Stadt Changsha. Mein Aufenthalt ist kurz, dennoch sehr prägend.
Ich bin beeindruckt von all dem Lichtermeer in der Nacht, alles ist sehr schön und üppig beleuchtet. Die Stadt ist lebendig. Auch spät in der Nacht tummeln sich die Leute auf der Straße. Mein erster Eindruck – die Stadt ist laut – aber im positiven Sinne.
Ich spüre die Lebenslust und die Lebensfreude der Menschen. Unbekannte Gesichter lächeln mich freundlich an und schenken mir neugierige Blicke. Die Neugierde spiele ich zurück. Ich spüre, wie sensibel ich alles aufnehme – den lauten Verkehrslärm, die Gewürzdüfte der Straßenläden, die Lichter der Nacht, die nassen Straßen, die gerade erst gereinigt wurden und die filigranen Details der Häuser mit den roten Himmelslaternen.
Im Hintergrund höre ich leise traditionell chinesische Musik. Ich kann nicht orten woher diese Musik ertönt, da sie von scheinbar überall kommt. Sie wechselt von Straße zu Straße, dennoch begleitet sie mich unauffällig in angenehmer Art. Auch wenn ich erst vor wenigen Stunden in China gelandet bin, fühle ich mich bereits angekommen.
Zhangjiajie und die berühmten „Avatar-Berge“
Wenige Tage darauf fahren wir nach Zhangjiajie. Auf der Fahrt entdecke ich Baustellen im Überfluss und bemerke, wie sehr die Provinz im Aufbruch ist. Vieles verändert sich hier in kurzer Zeit.
Unsere Reiseleiterin hat viel über die Region zu erzählen und ich lerne, dass Hunan seit 29 Jahren im Bauboom ist, um mit den anderen Metropolen und bekannten Provinzen des Landes mitzuhalten. Ich kann dennoch zwischen den Baustellen das Urige und Ursprüngliche erkennen, was mir sehr gefällt. Eine Mischung aus Tradition und Moderne. „Hunan möchte wachsen und einmal zu den bekanntesten Provinzen des Landes gehören….“ Ich höre gespannt zu und schaue weiterhin aus dem Fenster. Entdecke weitere Häuser, Baustellen und Landschaften.
Auf der Fahrt führt unser Weg durch Dörfer, die noch nicht vom Fortschritt eingeholt worden sind. Ein extremer Kontrast zu dem, was ich in Changsha kennen gelernt habe. Es fasziniert mich, wie viele unterschiedliche Regionen ich innerhalb weniger Autostunden sehe.
Ich sehe sehr viele Lotuspflanzen und Aufzuchten. Die riesigen grünen Blätter überragen meist die komplette Nassanlage und die Wurzeln der einzelnen Pflanzen scheinen fest verankert zu sein. Es ist schön, auch diese Seite von China zu sehen und so warte ich gespannt auf die Ankunft in Zhangjiajie und freue mich auf die „Avatarberge“, den Tianmen Berg und auf die Glasbrücke.
In Zhangjiajie angekommen geht es den ersten Tag auf dem Tianmen Berg. Die Reise beginnt mit einer steilen Seilbahnfahrt, die ca. 40 Minuten dauert und in etwa 1600 Metern Höhe endet. Die Seilbahnfahrt ist aufregend. Ich kann sehr viel von der Natur aufnehmen und sehe wie sich die Vegetation in den laufenden Metern ändert, je mehr wir uns fernab der Straßen und dem Getümmel bewegen. Es herrscht eine angenehme Ruhe. Dennoch ist der Blick nach unten nicht immer ein leichter. Obwohl ich keine Höhenangst habe, ist es ein seltsames Gefühl, immer höher zu steigen und die Berglandschaft immer deutlicher vor Augen zu haben.
Die Seilbahn fährt in einem angenehmen Tempo, so dass ich mir alles genau anschauen kann. Ich sehe die 99 Kurven der Serpentinstraßen, die sich entlang der Berge schlängeln und vereinzelte kleine Dörfer. Plötzlich ist die Gondel im dichten Nebel der Berge gefangen. Es ist nur noch ein weißer Schleier um mich herum zu sehen.
Ein etwas beklemmendes Gefühl nicht zu wissen, wo man ist und wie lange die Fahrt noch dauern wird. Dennoch ist es eine neue Erfahrung nicht vorausschauend zu sehen, was einem am Gipfel des Berges erwarten wird. Die Spannung steigt. Die Fahrt im Nebel fühlt sich lang an. Länger als die Fahrt mit Sicht. Auch wenn es nur die letzten 12 Minuten sind.
Auf dem Tianmen Berg angekommen, scheint es mir, wie über den Wolken zu gehen. Der Nebelschleier verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Die Sicht variiert. Und doch kann ich die Schönheit und Einzigartigkeit des Moments aufnehmen und genießen. Die Wege auf dem Berg scheinen etwas verworren und im Nebel zu verschwinden.
Trotzdem schaffen wir den Weg zum Skywalk. Ein Weg, der sich 100 m entlang der Außenseite des Berges schlängelt – in 1400 m Höhe. Wer nicht schwindelfrei ist, sollte es sich zwei Mal überlegen, über den gläsernen Teil zu gehen. Ich traue mich und stülpe mir die speziellen Stoffschuhe über meine Turnschuhe. Ich kann bereits Gestöhne und Geschrei aus der Ferne vernehmen und stoppe für einen kurzen Moment, bin mir unsicher und warte. Soll ich mich trauen?
Skywalk
Letztendlich stehe ich unmittelbar vor dem gläsernen Skywalk und wage einen ersten Blick hinunter in den Abgrund. Vermutlich habe ich Glück im Unglück. Durch den Nebel habe ich weder eine 100 prozentige Sicht nach unten noch zum Horizont. Wenn ich wirklich mehrere hundert Meter hinabschauen kann und sehe was sich unmittelbar unter mir befindet, stockt mir kurz der Atem.
Der Skywalk ist voll. Viele Menschen tummeln sich auf der schmalen Plattform. Einige lachen, andere schreien und manche weinen – ein Meer aus Gefühlen, die mich auf dem Weg zum Ende des Skywalk begleiten. Ich merke, wie mein Schritt dementsprechend schneller wird und ich mich auf das Ende des Weges freue. Geschafft! Eine Welle aus Stolz erfüllt mich und ich bemerke erst jetzt, wie manche Skywalker wie in Stein gemeißelt vom Glasweg getragen werden müssen. Es ist ein gutes Gefühl, über seine eigenen Grenzen hinaus zu wachsen.
Den nächsten Tag habe ich schon mit voller Vorfreude erwartet. Es geht zu den sogenannten „Avatarbergen“ im National Forest Park. Vor Ort angekommen muss erstmal der Fingerabdruck von jedem Gast genommen werden, bevor es durch den Eingang geht. Ein eher ungewöhnlicher Einlass, dennoch ist der Andrang sehr groß. Nach der Kontrolle, fahren wir mit dem Bus eine kurze Strecke bis zum Hauptfahrstuhl, dem Bailong Elevator, dem größten Outdoor Fahrstuhl der Welt. Dieser ist natürlich gläsern, über 200 Stockwerke und 326 Meter hoch.
Ein leichtes Gedränge entwickelt sich im Fahrstuhl. Jeder möchte so nah am Glas sein wie nur möglich, um die ersten Berge und Eindrücke zu ersehen und das beste Foto zu schießen. Die Fahrstuhlfahrt ist schnell und kurz, dennoch eine sehr gute Einstimmung auf die Berglandschaft. Bereits jetzt bin ich beeindruckt von den Bergen, wie sie sich unabhängig voneinander in verschiedenen Formen und mit Fauna in den Himmel ragen. Ich kann gar nicht so viele Fotos schießen, wie ich gerne möchte. Ich muss zugeben, es ist ein Naturspektakel der Superlative. So etwas Gewaltiges habe ich noch nicht gesehen und ich genieße die Erkundung der riesigen Sandsteinpfeiler. Jeder von ihnen ist individuell durch Naturbedingungen geformt worden. Die Vegetation ist sehr schön und stimmig. Das Licht scheint angenehm durch die Bergspitzen und Berge hindurch.
Zhangjiajie
Ich bleibe stehen und schaue mich um. Menschenmassen strömen links und rechts an mir vorbei. Ich versuche mir die Zeit zu nehmen, um mir vorzustellen, wie diese Berge wohl entstanden sind und sich in den letzten Jahrhunderten verändert haben. Ich gehe mit Bedacht die langen Wege entlang der Berge und versuche so viel wie möglich in mich aufzusaugen. Es ist ein wahnsinniges Gefühl und ich bin nach jedem Foto, dass ich schieße enttäuscht, da ich die Einzigartigkeit und Schönheit der Landschaft nicht annähernd einfangen kann. Nach ein paar Stunden ist unser Besuch vorbei und ich bin traurig den Park zu verlassen. Die Vorfreude meinerseits hat sich gelohnt und meine Erwartungen wurden sogar übertroffen.
Meine Reise hat nun bald ein Ende. Der letzte Tag ist angebrochen. Meine Zeit in China verging sehr schnell. Bevor es wieder in das Flugzeug Richtung Deutschland geht, steht unser letzter Besuch zur weltweit längsten und höchsten Glasbrücke der Welt an. Das 430 Meter lange und 6 Meter breite Bauwerk mit 99 Glasplatten hängt 300 Meter über einem Canyon im Nationalpark Zhangjiajie. „Nach dem Skywalk kann mich nichts mehr aus der Fassung bringen“, denke ich mir auf dem Weg zur Glasbrücke. Bevor wir diese überqueren können, bekommen wir noch die Anweisung, keine Gegenstände, das heißt keine Kameras, Flaschen und weiteres mit auf die Brücke zu nehmen. Ich stimme zu und stülpe mir schließlich wie gewohnt die Stoffüberzieher über meine Turnschuhe.
Zhangjiajie Glasbrücke
Nun stehe ich vor dieser gewaltigen Brücke. Sie erscheint mir im ersten Augenblick nicht allzu hoch, da ich mich in den letzten Tagen in weitaus höheren Gefilden aufgehalten habe. Habe ich ein mulmiges Gefühl? Schwer zu sagen. Ich taste mich mit kleinen Schritten vor und bemerke, dass sich zwischen den Glasplatten auch Metallplatten befinden, so dass ich selber entscheiden kann, ob ich auf Glas oder Metall laufen möchte. Ich probiere mich an dem Glas und bemerke schnell, dass ein kompletter Gang dort auf Grund der Menschenmassen nicht möglich ist. Also wechsele ich von Metall auf Glas und von Glas auf Metall und bahne mir so den Weg bis ans Ende der Brücke. Der Weg erscheint mir lang. Die Aussicht ist klar. Also schaue ich mir während meines Gangs den Canyon und die Natur an.
Auch hier muss ich feststellen, dass ich durch ein Meer aus verschiedenen Emotionen wandle. Ich lächle und blicke zurück auf meine Reise durch Hunan. Es war eine sehr schöne und besondere Reise. Ich habe viel gesehen, viel erlebt und kurzum auch viel über mich gelernt. Hunan ist eine wachsende Provinz, die für mich sehr schön das alte Traditionelle mit der neuen Moderne kombiniert. Hunan ist touristisch noch nicht allzu bekannt und erschlossen. Zumindest wenn es um Touristen geht, die nicht aus dem asiatischen Raum kommen. Gewiss ist Zhangjiajie etwas für Abenteurer, Schwindelfreie, Mutige und Naturinteressierte, die gerne über sich hinauswachsen möchten. Aber ist das nicht das Ziel einer solchen Reise? – Gelegenheiten und Situationen für sich zu nutzen, um an Ihnen zu wachsen und anhand dessen schöne und einzigartige Erinnerungen zu erleben und zu teilen?
Ich kann einen Besuch nach Hunan sehr empfehlen und würde gerne in ein paar Jahren zurückkehren, um zu sehen was sich alles verändert hat. Hoffentlich fordert mich die Provinz dann wieder heraus und ich bekomme die Chance über mich hinaus zu wachsen. Mit einem Lächeln im Gesicht steige ich in den Flieger zurück Richtung Deutschland und freue mich auf meine nächste Chinareise.