Bodensee-Reise in die Steinzeit

Das Klima: mild. Die Landschaft: zum Verlieben schön. Durch alle Epochen hat es Menschen an den See gezogen. Darunter die Pfahlbauer. Vor 10 Jahren hat die UNESCO das prähistorische Erbe der Pfahlbauten ins Weltkulturerbe aufgenommen. Anlass genug für eine Zeitreise in die Stein- und Bronzezeit am westlichen Bodensee, bei der Geschichte mit allen Sinnen hautnah erlebt werden kann. Hier, vor der Halbinsel Höri bauten vor 6000 Jahren erstmals Menschen ihre Pfahlbauhäuser an das Ufer des Bodensees. Für 3000 Jahre blieb der Pfahlbau die beliebteste Wohnform direkt am Seeufer. Heute erinnern am westlichen Bodensee zahlreiche Ausstellungen an die Zeit der Pfahlbauer und das Weltkulturerbe: Der Bodensee goes Steinzeit.

Einzigartige Waffen, extravaganter Schmuck, seltsam anmutende Werkzeuge – seit gut 150 Jahren werden am Bodensee Schätze aus der Stein- und Bronzezeit entdeckt. Sogar Hüte, Stoffe und Kaugummis wurden gefunden. Und natürlich: Pfähle. In den Flachwasserzonen blieben sie seit 6000 Jahre konserviert und lassen heute faszinierende Rückschlüsse auf unsere Vorfahren zu. 2011 erklärte die UNESCO 111 Fundstellen rund um die Alpen zum Welterbe. Am westlichen Bodensee sind es 9 Stätten, die diese Auszeichnung tragen.

Das Erbe des Sees: unsichtbar und doch quicklebendig

Es ist ein zunächst unsichtbares Erbe, das uns Stein- und Bronzezeit hinterlassen haben. Denn die Überreste der Pfahlbauten schlummern meist unter Wasser. Wenn auch unzugänglich, so sind sie dennoch allgegenwärtig: Heute gibt es am See nachgebaute Pfahldörfer, fesselnde Ausstellungen, packende Führungen und experimentelle Mitmach-Archäologie. Immer wieder fiebert die Region mit, wenn spektakuläre Funde geborgen werden – wie etwa aktuell ein 4000 Jahre alter Einbaum aus dem Seerhein bei Konstanz. Jede Entdeckung fügt ein weiteres Puzzleteil zum Bild der Menschheitsgeschichte hinzu. Rund um die Fundstätten kommen vielfältige Angebote dem Durst nach Wissen und der Freude am spielerischen Entdecken nach.

Authentisch rekonstruiertes Pfahlbauhaus in Wangen auf der Halbinsel Höri ©Helmut Fidler

Zwischen Vulkanen und See der Vergangenheit nachspüren  

Ein authentisch rekonstruiertes Pfahlbauhaus findet sich in Wangen auf der Halbinsel Höri. Hier wurde 1856 die erste Pfahlbau-Siedlung am Bodensee entdeckt. Bedeutende Funde von dort können im Museum Fischerhaus besichtigt werden. Mit einem „modernen Einbaum“ – einem Kanu – kann man sich der UNESCO Welterbestätte nähern. Die Bootsscheune Wangen bietet Gruppen geführte Touren in die Bucht Wangen-Hinterhorn an. Wer mitpaddelt, dem vermittelt der Tourguide spannende Einblicke in die Zeit der Entdeckung des Pfahlbaudorfs und im Anschluss eine Führung durchs Museum. Auch das Heimatmuseum von Allensbach zeigt wertvolle Funde aus der Pfahlbauzeit. Wenige Meter entfernt stand einst eine jungsteinzeitliche Siedlung. Vor wenigen Jahren fanden Archäologen hier einen fast 5000 Jahre alten Dolch mit einer Klinge aus Feuerstein, der neben vielen anderen Fundstücken heute in der Ausstellung „Welt der Pfahlbauten“ im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz zu sehen ist.

Schöner gärtnern in der Steinzeit

Wer siedelt, der gärtnert auch. Wie die Erde schon in der Steinzeit beackert wurde, zeigt der archäobotanische Forschungs- und Schaugarten des Landesamts für Denkmalpflege in Hemmenhofen. In kleinen Beeten werden alte Kulturpflanzen angebaut, die seit der Jungsteinzeit in Mitteleuropa von Bedeutung waren. Es gibt auch ein kleines Arboretum mit alten Obstsorten.

Das Jubiläum im Museum

Ihr 10-jähriges Jubiläum feiert auch die „Pfahlbauausstellung Dingelsdorf“ im ehemaligen Rathaus des Konstanzer Vororts. Unter dem Motto „Steinzeit hautnah“ zeigt das kleine Museum, mit welchen Hilfsmitteln die Pfahlbauer ihre Nahrung sicherten und zubereiteten. Das Archäologische Landesmuseum in Konstanz ist mit seiner Dauerausstellung „Welt der Pfahlbauten“ der größte Vermittlungsort des UNESCO Welterbes „Pfahlbauten am Bodensee“. Sie besticht vor allem durch die spektakulären Holzobjekte von der Flöte bis zur Backschaufel, aber auch mit Kleidungsstücken wie Schuhen und Hüten. Spektakulär ist die Rekonstruktion der Kultwand von Ludwigshafen mit ihren sieben Frauenfiguren. Das Museum Fischerhaus in Öhningen-Wangen erinnert an den Entdecker der Pfahlbauten Kaspar Löhle, der 1856 als erster im Seeboden vor der Halbinsel Höri Reste eines solchen Hauses entdeckte. Und im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen steht seit nunmehr 99 Jahren der älteste Nachbau eines Pfahlbauhauses. Aus gutem Grund gehört das schmucke, über Stege verbundene Pfahldorf auf dem Wasser zu einem der beliebtesten Fotomotive am See. Als eines der ältesten Freilichtmuseen Europas nimmt es seine Besucher mit auf eine unvergessliche Zeitreise – inklusive Steinzeitparcours und vielem mehr.

Ein Museum im Museum: Der Leinersaal in Konstanz

Eine doppelte Reise in die Vergangenheit bietet das Konstanzer Rosgartenmuseum. Der historische Leinersaal präsentiert nicht nur beeindruckende Funde aus der Pfahlbauzeit, er ist selbst ein Museumsstück. Die alten holzgerahmten Vitrinen stammen noch aus der Gründungszeit des Museums um 1870.

Steinzeit – ganz digital

Im Jubiläumsjahr geht Steinzeit aber auch digital: Eine große Online-Ausstellung unter dem Titel „10 Jahre – 100 Geschichten“ zeigt zahlreiche Exponate, auch aus dem Archäologischen Landesmuseums Konstanz. Ganz digital, aber doch zum Nachkochen: der Foodblog PalaFitFood bietet dem hungrig gewordenen Pfahlbauforscher eine Genussreise in die Vergangenheit. Im wöchentlichen Blog wird in die Töpfe der Pfahbauer geschaut und nachgekocht, was die Archäologen an Pflanzen und Essenresten gefunden haben. Kreative Pfahlbauköche können sich an der Challenge beteiligen und ihre Rezepte posten!

Mehr Informationen unter www.bodenseewest.eu/de/erleben/kultursee/unesco-welterbe-pfahlbauten