Gibt es in Troyes mehr Heilige als anderswo?

„Was macht man in Troyes? Man läutet“ Dieses alte französische Sprichwort kommt nicht von ungefähr, gibt es in der historischen Hauptstadt der Champagne doch neun denkmalgeschützte Kirchen von der Gotik bis zum 20. Jahrhundert und auch eine Kathedrale. Zudem ist Troyes von einem wahren Ring von Schutzpatronen umgeben. Allein 19 kleine Städte und Dörfer des Gemeindezusammenschlusses „Troyes Champagne Metropole“ tragen den Namen eines Heiligen.

Ob nun die Bewohner der 60.000 Einwohnerstadt (170.000 im Ballungsgebiet) besonders fromm sind, wurde bisher nicht nachgewiesen. Auf Besucher warten jedoch zahlreiche sakrale Leckerbissen. Unumgänglich ist ein Besuch der Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul, die zu den Hauptwerken der französischen Gotik zählt. Deren eindrucksvolle Glasgemälde, über 1.500 m², stammen aus dem 13.-16. Jahrhundert. Das ganze Departement „Aube en Champagne“ hat mit über 9.000 m² Buntglasfenstern in 200 Kirchen einen Schatz, wie so nirgends in Europa. In der Kathedrale finden sich im Kirchenschatz auch liturgische Gegenstände aus der Zeit der Tempelritter. Diese erhielten ihre Ordensregeln 1129 auf dem Konzil von Troyes, im Beisein von Bernhard von Clairvaux.

In der auf Anordnung des Papstes Urban IV. errichteten Basilika Saint Urbain, ist die „Jungfrau mit der Weintraube“ ein schönes Beispiel der Bildhauerkunst der Stadt im 16. Jahrhundert. Die Kirche Sainte-Madeleine besitzt einen eindrucksvollen steinernen Lettner im Flamboyantstil (1508–1516) und Saint-Pantaléon besticht durch zahlreiche Statuen und ihre Fachwerkbauweise.

Auch für die jüdische Geschichte ist Troyes von Bedeutung. Raschi, ein französischer Rabbiner und maßgeblicher Kommentator des Tanach und Talmuds wurde hier 1040 geboren. Er war einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters und der bekannteste jüdische Bibelexeget überhaupt. Sein Bibelkommentar wird bis heute studiert und in den meisten jüdischen Bibelausgaben abgedruckt. In Troyes kann das Raschi-Haus besichtigt werden, mit Synagoge, einer Bibliothek der jüdischen Kultur in verschiedenen Sprachen und Tablets mit denen man Tora-Rollen ansehen kann, die sonst nicht zugänglich sind. Ein Glasfenster der Künstlerin Flavie Serrière Vincent-Petit ist zu bestaunen. Erneut eine Anspielung auf den Reichtum an Buntglasfenstern im Departement Aube. Ein Rundweg führt auf den Spuren Raschis durch die Altstadt.

Fachwerkkirche von Longsols ©BC-Image

Diese ist ein wahres Labyrinth von gepflasterten Gässchen, die von farbenfrohen Fachwerkhäusern gesäumt werden. Man fühlt sich schnell in die Zeit des Mittelalters oder der Renaissance und der berühmten Märkte der Champagne zurückversetzt. Diese Architektur ist heute der ganze Stolz der Champagnerstadt, die das Label „Ville d’Art et d’Histoire“ (Stadt für Kunst und Geschichte) trägt. Die Innenstadt weist zudem eine kuriose Besonderheit auf: die Umrisse haben aus der Luft gesehen, die Form eines Champagnerkorkens.

Nordöstlich von Troyes besitzt das Departement „Aube en Champagne“ noch einen weiteren Schatz des Kulturerbes in Form von zahlreichen Fachwerkkirchen. Die Gotteshäuser von Lentilles, Bailly le Franc oder Longsols sind eindrucksvolle Beispiele für diese besondere Architektur, die sich durch das Fehlen von Steinen und den Holzreichtum erklären lässt. Damit Touristen auch oftmals geschlossene Kirchen besichtigen können, wurde 2014 die Aktion „Un jour, Une Eglise“ (Ein Tag, eine Kirche) ins Leben gerufen. Mehr als 300 freiwillige Helfer sind in den Sommermonaten am Empfang von Besuchern beteiligt.

Mehr Informationen unter www.aube-champagne.com/de (Deutsch)