Erstattung eines 50 Euro Flugtickets darf eingeklagt werden

Das Amtsgericht Nürtingen (Az. 47 C 2626/20) hat die österreichische Fluggesellschaft Laudamotion zur Rückzahlung eines Flugtickets verurteilt, nachdem die Airline einen Flug annulliert und den Wunsch des Kunden zur Ticketerstattung mit fadenscheiniger Argumentation verzögert hatte. Das Gericht entschied aufgrund des Sachstandes und ohne mündliche Verhandlung. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Anspruch auf vollständige Erstattung des Ticketpreises ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 lit. A, 8 Abs. 1 lit. a der Fluggastrechte-Verordnung (EG) 261/2004. Der Passagier hatte einen Flug von Stuttgart nach Alghero für insgesamt 48,48 Euro gebucht. Die Ryanair-Tochter Laudamotion hatte den Flug ersatzlos gestrichen und bot dem Kunden ausschließlich einen Gutschein an, den dieser aber ablehnte.

Der Passagier beauftragte daraufhin das vom Express-Entschädiger EUflight betriebene Portal flugticket-erstattung.de mit der Forderungsdurchsetzung. Das Portal forderte die Airline erfolglos zur Zahlung auf und reichte anschließend Klage beim AG Nürtingen ein. Vor Gericht ließ Laudamotion nichts unversucht, um die Ticket-Erstattung abzuwehren. Die Airline bezog sich dabei auf:

  • rechtliche Unmöglichkeit: die Zentrale im vom Corona-Virus geplagten Madrid habe die Rückerstattung nicht schneller habe durchführen können
  • unverhältnismäßiger Aufwand: man habe die Rückzahlung wegen des geringen Ticketpreises von 48,48 Euro verweigern dürfen
  • fehlendes Rechtsschutzbedürfnis: der Fluggast hatte kein Klagerecht, da man vorgerichtlich seinen Erstattungsanspruch anerkannt habe
  • Abtretungsverbot: Forderungen aus abgetretenem Recht könne man bei der Rückzahlung „ohnehin“ nicht berücksichtigen.

Das Gericht wies die Airline mit Urteil vom 2. September 2020 in ihre Schranken und nahm zu deren Vortrag eindeutig Stellung:

  1. Die Entscheidung eines in Österreich ansässigen Unternehmens, Rückzahlungen derzeit ausgerechnet aus Madrid zu organisieren, geht allein auf die interne Organisation zurück. Dabei sei auch nicht ersichtlich, warum es Laudamotion unmöglich gewesen sein soll, interne Prozesse an Covid-19 anzupassen, zumal die Einschränkungen schon seit Monaten bestanden. Zudem sei eine rechtliche Prüfung eines solchen Anspruches „nicht sonderlich kompliziert“.
  2. Ein Gläubiger hat ein gesteigertes Interesse daran, auch kleinere Geldbeträge bei seinem Schuldner geltend zu machen und deren Rückzahlung innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen zeitlichen Fristen zu verlangen.
  3. Der Passagier hat der Airline seit Anspruchsentstehung mehr als die gesetzlich vorgesehene Frist von einer Woche eingeräumt, bis er seinen Anspruch an EUflight abgetreten hat. Mit Blick auf die Belastbarkeit der Zusagen der Beklagten im vorgerichtlichen Verkehr ist „bemerkenswert, dass die Beklagte auch Monate nach Anspruchsentstehung einen offenkundig sehr hohen Aufwand betreibt, um zu erklären, weshalb die Forderung immer noch nicht ausgezahlt worden ist.“
  4. Wenn Abtretungserklärungen nicht berücksichtigt werden können, sei auch dies allein ein innerbetriebliches Problem der Airline.

Im Gegensatz zu dem ersten Corona-Urteil (AG Nürtingen, Az. 10 C 1810/20), das Ende Juni gegen Eurowings erging und ebenfalls von EUflight erstritten wurde, spiegelt die aktuelle Urteilsbegründung die entlarvende Kritik der Richter an den Praktiken der Airlines wider. „Wenn Airlines die gleiche Kreativität und Energie, mit der sie sich vor Gericht gegen Erstattungsforderungen verteidigen, in die Ticketrückzahlungen investieren würden, wären die geschädigten Passagiere längst zu ihrem Geld gekommen“, meint Dr. Lars Watermann, Geschäftsführer der EUflight.de GmbH. „Das Verhalten der meisten Airlines ist lupenreiner Rechtsbruch und zeigt das Bild, das Airline-Manager von ihren Kunden haben. Dabei ist es skandalös, mit welcher Selbstverständlichkeit Airlines ihre Kunden als Finanzierungsquelle missbrauchen“.