
Eine kleine Auszeit vom Alltag: Dafür ist das kleine Örtchen Grenzau im Kannenbäckerland ideal.
Sie wissen nicht, wo das Kannenbäckerland liegt? Das wusste ich vorher auch nicht. Aber Reisen bildet nun mal. Das Kannenbäckerland ist ein Landstrich des Westerwalds zwischen Montabaur und Koblenz in Rheinland-Pfalz und nach der Keramikherstellung benannt, die seit dem 15. Jahrhundert dort betrieben wird.
Einfach mal runterkommen. Genau das darf in Grenzau ziemlich wörtlich genommen werden. Der 100-Seelen-Ort, ein Stadtteil von Höhr-Grenzhausen, liegt zwar direkt an der Autobahn, aber trotzdem sehr abgeschieden. Und es geht in einer Serpentinenstraße hinunter ins Tal. Schmucke Fachwerkhäuser, liebevoll hergerichtet, zeugen vom Stolz der Bewohner und machen den Charme des Dorfes aus.
Sportbegeisterte kennen Grenzau eher wegen der Tischtennismannschaft Zugbrücke Grenzau, die seit Jahren sehr erfolgreich in der Bundesliga agiert. Deutsche Meisterschaften, Pokalsiege und Europapokalsiege haben die Spieler an der grünen Platte am Olympiastützpunkt bereits geholt. Ein Vater des Erfolgs ist Manfred Gstettner, der in jungen Jahren zusammen mit anderen Sportbegeisterten den Verein aus der Taufe gehoben hat. Zunächst wurde in einem Schuppen des ehemaligen Sägewerks trainiert, das Gstettners Familie gehörte und im Zweiten Weltkrieg unrentabel wurde. Später wurde dort ein Hotel errichtet, das heutige Hotel Zugbrücke, ein Vier-Sterne-Superior-Haus. Und auch eine Tischtennishalle mit Tischtennisschule ist entstanden. Manfred Gstettners Idee, Sport und Urlaub miteinander zu verbinden, wird bis heute von seinem Sohn Olaf weiterverfolgt und ausgebaut. „Die Trainer der Tischtennisschule sind im Hotel angestellt“, sagt Olaf Gstettner. Von der Privatstunde bis zum Lehrgang für Mannschaften kann man in der Tischtennisschule ganz unterschiedliche Kurse buchen und im angrenzenden Hotel übernachten. Den großzügigen Sauna- und Fitnessbereich können übrigens auch Tagesgäste nutzen. Und so manche Sportgröße geht im Hotel ein und aus.

Das Hotel Zugbrücke mit den 137 Zimmern ist ganzjährig geöffnet. Wegen der nahen Burg Grenzau gibt es auch einige Ritterzimmer, mit goldener Fahne an der Zimmertür. Das Bier, das seit drei Jahren in der eigenen Brauerei hergestellt wird, ist eindeutig wohlschmeckender als zu mittelalterlichen Zeiten. Doch man sollte schnell sein, um einen Platz in der Bierstube zu ergattern.
Für Gstettner ist der Westerwald ein unterschätzter Geheimtipp. „Hier gibt es so viele Möglichkeiten“, sagt er. Auch Mountainbiker finden hier tolle Trails. Ob sportlich aktiv oder einfach nur auf der Suche nach Ruhe: „Das Brexbachtal ist perfekt zum Runterkommen und sich erholen.“ Viele Kurzurlauber nutzen dieses Angebot, weiß der Chef. Und er empfiehlt allen einen Besuch in Koblenz am Zusammenfluss von Rhein und Mosel. „Mit dem Deutschen Eck und der Festung Ehrenbreitstein haben wir zwei ganz markante Bauwerke.“ Koblenz liegt keine 20 Kilometer von Grenzau entfernt.

Wen es nicht ganz so weit weg zieht, der kann in den kleinen Ort seine Ruhe finden. Über den Dächern thront weithin sichtbar die Burg Grenzau. Die Ruine ist das Ziel zahlreicher Wanderer. Denn der Westerwald ist als Wanderdestination sehr beliebt. Allein im Kannenbäckerland mit den Kommunen Höhr-Grenzhausen und Ransbach-Baumbach stehen rund 300 Kilometer zur Verfügung. Auf gut markierten und ausgebauten Waldwegen schwingt sich die Strecke in die Höhe. In den Sommermonaten sind die Überreste des im 13. Jahrhundert von Heinrich von Isenburg errichteten Gemäuers mit dem wohlklingenden Namen „Gransioie“ (altfranzösisch für „Grossfreuden“) und dem dreieckigen Bergfried zur Besichtigung offen. Im goldenen Herbst bleibt das mächtige Holztor dem Besucher verschlossen. Nicht aber der Ausblick auf die herbstlichen Wälder der Region. Nur wenige Meter von der Burg entfernt darf man am sogenannten „Kaiserstuhl“ auf der kleinen Holzbank die Seele und auch die müden Beine baumeln lassen.

Wildromatisch sind die Hänge des südlichen Westerwalds auch rund um Grenzau. Vermutlich sicherte die Burg die dortige Furt durch den Brexbach, der dem Tal seinen Namen gegeben hat. Wer dem 22 Kilometer langen Bach vom Rheintal in den Westerwald, einem Nebenlauf des Saynbachs, folgt, durchstreift verwunschene Wälder und passiert so manche ehemalige Mühle. Beliebt bei den Wanderern ist der Brexbachschluchtweg, der nicht nur an schroffen Felsklippen vorbeiführt, sondern auch einen weiten Blick auf das Rheintal und die nahe Eifel ermöglicht.

Tief in die Vergangenheit der Region eintauchen kann man in der Keramik-Stadt Höhr-Grenzhausen. Tonkrüge und Keramik werden dort seit vielen Jahrhunderten hergestellt, der Ton quasi vor der Haustüre abgebaut. Einen spannenden Einblick in die Vielfalt der Objekte erhält man im Keramikmuseum Westerwald. Auf vier lichtdurchfluteten barrierefreien Ebenen werden die Anfänge der Töpferkunst mit irdenen Gefäßen bis in die Moderne beschrieben. Funde aus römischer Zeit zeugen vom Handel der Menschen am nahen Limes. Selbst Notmünzen wurden in den 1920er Jahren aus Keramik hergestellt.
Viel Raum wird dem graublauen Westerwälder Steinzeug gewidmet. Die salzgasierten Krüge und Vorratsgefäße sind typisch für das Kannenbäckerland. Neben der Gebrauchskeramik zeigen ganz besondere Prunkgefäße von der Renaissance bis zum Jugendstil die Vielfalt an Form- und Dekormöglichkeiten auf. Selbst an den russischen Hof wurde die Keramik geliefert. „Wenn der Zar sein Selterswasser wollte, hat er das in großen Krügen aus der Region bekommen“, erzählt die Museumsmitarbeiterin bereitwillig. Denn: „In den Krügen konnte das Wasser nicht veralgen.“

Nicht zu kurz kommt im Keramikmuseum der moderne Umgang mit dem Werkstoff Ton, von der Anwendung für technologische und medizinische Zwecke bis zum künstlerischen Bereich. „Egal was produziert wurde, der Töpfer musste seinen Ofen ganz genau kennen und sein Handwerk verstehen, damit das Produkt gelingen konnte“, erzählt die Mitarbeiterin.
Das Keramikmuseum Westerwald (www.keramikmuseum.de ) in Höhr-Grenzhausen ist das größte seiner Art in Europa und verbindet Handwerk, Geschichte und Kunst. In der Stadt gibt es zahlreiche Ateliers, die den interessierten Besuchern ihre Tore öffnen. Runterkommen geht im Westerwald auf vielfältige Weise.
Informationen gibt es beim Kannenbäckerland-Touristik-Service, Telefon 02624 / 19433 oder unter www.kannenbaeckerland.de
Text und Bilder ©Diana Seufert