Auf einer Tour durch Böhmen begegnet man dem Barock auf Schritt und Tritt

Der Barock prägt bis heute das Bild des Nachbarlandes Tschechien. Überall begegnet man barocken Schlössern, Kirchen, Gärten oder Landschaften. Mit einem Jahr des Barocks feiert die Tschechische Zentrale für Tourismus CzechTourism das kulturelle Erbe. Da passt es gut, dass die Europäische Union gerade jetzt das barocke Hospital Kuks im Nordosten Böhmens mit dem renommierten Denkmalschutzpreis „Europa Nostra“ ausgezeichnet hat.

Eine schmale Brücke verbindet in Kuks (Kukus) Leben und Tod. Am linken Ufer der Elbe floss der Wein, man vergnügte sich im Schloss, im Theater und im Kurhaus. Die andere Seite bestimmten Krankheit und Tod. Im Hospital wurden Kriegsveteranen gepflegt, von der Krankenstation führte ihr letzter Weg auf den Friedhof. Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden, spiegelt die gesamte Anlage das Weltbild des Barocks wider. Diesseits und Jenseits, Leben und Tod bilden hier die beiden Seiten einer Medaille.

Franz Anton Graf von Sporck holte sich bedeutende Baumeister und Bildhauer, um seine Ideen zu verwirklichen. Er machte Kukus zum Kurbad, das zeitweilig sogar Karlsbad in den Schatten stellte. Der Kurbetrieb währte keine fünf Jahrzehnte, dann zerstörte ein Hochwasser die meisten Gebäude und ließ die Quelle versiegen. Später fielen große Teile des Schlosses einem Brand zum Opfer. Doch das Hospital am anderen Ufer blieb bis zum Zweiten Weltkrieg in Betrieb und wurde gerade mit dem höchsten europäischen Preis für Denkmalpflege, „Europa Nostra“, bedacht.

Nur ein Hospital und doch prächtiger als manches Schloss, erhebt sich das mächtige Bauwerk hoch über dem Ufer und lockt die Radwanderer, die auf dem Elberadweg unterwegs sind. Seine langgezogene Front säumen Kopien allegorischer Figuren des genialen Bildhauers Mathias Bernhard Braun, die unter anderem Tugenden und Laster symbolisieren. Geschützt vor Wind und Wetter werden die Originale im ehemaligen Krankensaal ausgestellt.

Bei Restaurierungsarbeiten wurde einer der größten Schätze des Hospitals entdeckt. Versteckt unter Putz fand man 46 großformatige Fresken, nachempfunden dem Totentanz-Zyklus von Hans Holbein. Der Tot, so ihre Botschaft, verschont keinen. Ein Schmuckstück ist die barocke Apotheke, die zweitälteste Tschechiens. Ihre Zutaten sammelten die Apotheker einst im eigenen Kräuter- und Gemüsegarten, der in seiner barocken Form wiederhergestellt wurde. Ein kleiner Spaziergang führt vom Hospital nach Bethlehem. Dort meißelte Mathias Bernhard Braun die Szenerie von der Geburt Jesu‘ in die mächtigen Sandsteinfelsen. Die noch gut erhaltene Skulpturengruppe gilt als eines der bedeutendsten Werke der Barockkunst in Böhmen.

Nur eine halbe Stunde Fahrt liegt zwischen der Abgeschiedenheit von Kuks und der lebendigen Universitätsstadt Hradec Králové (Königgrätz). Rund um den langgestreckten Marktplatz ist nicht nur die Dichte an Restaurants und Kneipen hoch. Hier erleben Besucher auch Architekturgeschichte im Zeitraffer – von der gotischen Heiliggeistkathedrale über den Weißen Turm im Stil der Renaissance bis zum Jugendstilgebäude, das heute die Galerie der modernen Kunst beherbergt. Zur Zeit des Barocks baute Johann Blasius Santini-Aichel hier eine bischöfliche Residenz und gestaltete die fünf Domherrenhäuser am Marktplatz um.

Santini-Aichel gilt als einer der genialsten Baumeister des Barocks in Tschechien. Eine seiner ersten und bedeutendsten Arbeiten entstand in Kutná Hora (Kuttenberg), nur eine Autostunde von Königgrätz entfernt. Dort leitete er im Vorort Sedlec den Wiederaufbau der fast drei Jahrhunderte zuvor von den Hussiten zerstörten Mariä-Himmelfahrtskirche. Dabei entwickelte Santini-Aichel seinen eigenen Stil der Barockgotik. Er rettete, was noch zu retten war und verband die strengen gotischen Formen des Vorgängerbaus mit Abrundungen und dezentem barocken Schmuck an Decken und Wänden. Fast ganz nebenbei schuf er dort das erste freitragende Gewölbe und die erste freitragende Wendeltreppe der Welt. Die Kirche zählt heute gemeinsam mit der Altstadt von Kutná Hora und der gotischen St. Barbara-Kirche zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Mehr noch als in die 110 Meter lange Himmelfahrtskirche von Sedlec zieht es die Touristenscharen in die unscheinbare Allerheiligenkirche gleich um die Ecke. Als Santini deren Umbau begann, stieß er im Untergeschoss auf die Gebeine von 40.000 Toten, die nach der Einebnung des Friedhofs dort aufgeschichtet worden waren. Santini hatte die Idee, die Kirche mit einigen der Knochen auszuschmücken. Doch erst rund 160 Jahre später setzte der Holzschnitzer František Rint das in Perfektion um. Er dekorierte die Wände und Decken mit den Gebeinen, formte aus den Knochen Monstranzen und riesige Kronleuchter – heute schaurig schöne Hintergründe für Selfies der Besucher.

Informationen über barocke Routen in Tschechien unter www.czechtourism.com und www.barockintschechien.de.

Text: Klaus Klöppel